Autor: Andreas Völlinger

The Surrogates

 Der Wecker reißt dich an einem dunklen, nasskalten Arbeitstag früh morgens aus dem Schlaf, du wälzt dich aus dem Bett, schlurfst gähnend in die Küche, um dir ein heißes Getränk zu machen. Dann lässt du dich damit in einem bequemen Sessel nieder, kuschelst dich in eine Wolldecke, während der Regen ans Fenster prasselt, und setzt ein Headset auf. Weiter musst du nicht. Zur Arbeit geht nämlich dein Surrogat, eine perfekte technische Kopie. Die physische Idealausgabe von dir, die nicht müde oder krank wird, deren Muskeln nicht erschlaffen und deren Bauchumfang nie wächst. Und du steuerst diesen Fleisch gewordenen (bzw. fleischlich wirkenden) Avatar mittels deiner Gedanken, erlebst die Welt durch seine Augen und Ohren. Als ob du dabei wärst – und irgendwie bist du es ja auch. Nur ersparst du dir all die Unanehmlichkeiten des Alltags … Klingt verlockend, nicht wahr?

Die Ruhmreichen Rächer 5

Langsam steuert die „Secret Invasion“ der Skrulls auf der Erde dem Höhepunkt zu, und während sich die Marvel-Heroen mit den außeriridischen Gestaltwandlern, welche die Superheldengemeinschaft in einer perfiden Geheimaktion infiltriert haben, herumschlagen, gibt es auch unter den Skrull-Agenten interessante Entwicklungen. Wer die Rächer in diesem Band erwartet, wird enttäuscht sein. Die vier hier gesammelten Geschichten sind eher eine Ergänzung zur Haupthandlung, die sich in der „Secret Invasion“-Miniserie abspielt. Es wird enthüllt, wie Elektra durch einen Skrull ersetzt wurde, wie der untergetauchte Nick Fury mit einem Team von NachwuchsheldInnen namens „Secret Warriors“ Guerilla-Krieg gegen die Invasoren führt und was für unerwartete Probleme die Doppelgänger von Hank Pym und dem Kree-Krieger Mar-Vell für ihre Genossen darstellen. Die Helden-Kopien verdanken ihre Perfektion nämlich dem Umstand, dass ihre DNA jeweils mit der des zu verkörpernden Helden verschmolzen wurde. Was dabei von den Skrull-Wissenschaftlern nicht eingeplant wurde, ist, dass die Kopien somit auch die Persönlichkeit der jeweiligen Person entwickeln. Das alles ist kurzweilig und ansprechend erzählt – solide Brian-Michael-Bendis-Szenarien plus durchweg gute (zuweilen vielleicht etwas unebene) grafische Umsetzung durch Khoi …

Sonnenfinsternis

 Mit dem 288 Seiten stolzen Gemeinschaftswerk von Fane und Jim erweitert der Splitter Verlag sein bisher eher von fantastischer und abenteuerlicher Genrekost geprägtes Programm um ein realistisches Personendrama. Fünf Männer und Frauen in ihren Dreißigern – einer von ihnen mit seinem neunzehnjährigen Internetdate im Schlepptau – kommen in einem abgelegenen Landhaus in Südfrankreich zusammen, um sich eine Sonnenfinsternis anzusehen und ihre Freundschaft aufleben zu lassen. Auch für die beiden Künstler bedeutet dieser Band weitgehend erzählerisches Neuland, machten sie doch bisher – unabhängig voneinander – eher mit anderer Art von Comickost auf sich aufmerksam.

 

Zebra 17

Zebra, „das anspruchsvolle deutsche Comic-Magazin“, galoppiert nun seit mehr als unglaublichen 25 Jahren durch die lokale Comicsavanne, was es neben (dem häufiger erscheinenden) Plop zum langlebigsten deutschen Fanzine macht. Dieses Durchhaltevermögen verlangt natürlich erstmal eine Runde Respekt ab. Für die 52 Seiten der Jubiläumsausgabe, die letztes Jahr erschien, haben neben dem gesammelten Zebra-Gründungsteam Ludwig Kreutzner, Georg W. Berres, Bill GoGer und Rudolph Perez auch eine ganze Reihe anderer Zebra-erprobter Zeichner wie Haggi und Haimo Kinzler Comics beigesteuert. Die Comicbeiträge sind routiniert mit wenigen Ausreißern nach oben (Oliver Ferreiras Dreiseiter!) und unten (Martin Frei, zwei Seiten für diese Pointe?); das Fleißkärtchen gibt es für den umtriebigen Rudolph Perez, der mehr als ein Drittel der Comicseiten beigesteuert hat – mit ein paar wirklich schön abstrusen Einfällen, die aber auf den teils arg textlastigen und mit Mini-Panels überfüllten Seiten manchmal etwas unterzugehen drohen. Der Mann braucht offenbar noch mehr Platz zum Austoben. Optisch kommt das Heft, abgesehen vom neuerdings farbigen Cover, auch heute noch in gewohnt gewollter Schlichtheit daher, was langjährige Fans wahrscheinlich erfreut. Doch angesichts der Tatsache, …

Die Rächer – Die Initiative 3

Die „50 Staaten-Initiative“, der zufolge jeder US-Bundesstaat sein eigenes Heldenteam bekommen soll, läuft alles andere als rund. Im Ausbildungscamp für Heldennachwuchs geht es beinahe schlimmer zu als während des Civil War: Rekruten rebellieren, Ausbilder misstrauen einander, jeder kocht sein eigenes Süppchen und mittendrin darf ein ehemaliger Nazischurke auf Staatskosten fröhlich Supersoldaten klonen. Die einzige Übereinstimmung ist wohl der kollektive Hass auf den verantwortlichen Superhelden-Minister und Ober-Unsympath Henry Peter Gyrich. Die Autoren Dan Slott und Christos M. Gage jonglieren mit scheinbarer Leichtigkeit mit einem riesigen Figurenrepertoire und gefühlten 100 Nebenplots herum, ohne dass sie oder die Leser dabei die Übersicht zu verlieren. Respekt! Für langjährige Marvelfans ist die Serie ohnehin ein wahres Fest, denn unter den Ausbildern und Rekruten der Initiative gibt es ein Wiedersehen mit Dutzenden von altbekannten Helden und (reformierten) Schurken aus der zweiten Reihe, die hier trotz ihres Massenaufgebots oft interessanter wirken als je zuvor. Wer hätte gedacht, dass man ausgerechnet für den Ex-Bösewicht und nun widerwillig als Heldenausbilder tätigen Taskmaster Sympathie empfinden würde? In der vorliegenden, extra-umfangreichen Ausgabe mit 140 Seiten geht …

Warrior Cats 1

Warrior Cats ist zunächst einmal eine recht erfolgreiche Jugendromanreihe über wild lebende Katzenclans aus der Feder eines dreiköpfigen Autorinnenteams, das sich hinter dem Pseudonym „Erin Hunter“ verbirgt. Beim vorliegenden Manga von Dan Jolley und James L. Barry handelt es sich um ein Spin-Off, also eine Ergänzung der Hauptgeschichte, die aber durchaus ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann. Der Katzenkrieger Graustreif ist in menschliche „Gefangenschaft“ geraten und soll nun sein Dasein als Hauskater in der verwirrenden Welt der Zweibeiner fristen. Die schnell geplante Flucht stellt sich aber als schwieriger heraus als gedacht. In die Stil-Kategorie „Manga“ wurde dieser Band wie einige andere Comics wohl eher aus marketingtechnischen Gründen geschoben. Genau genommen handelt es sich nämlich um nichts anderes als einen westlichen Schwarz-Weiß-Comic mit viel Rastereinsatz und allenfalls leicht manga-inspirierten Zeichnungen. Diese sind relativ einfach gehalten, aber solide, und von der Geschichte kann man an sich das gleiche sagen. Alles andere als spektakulär, aber ganz gut und flüssig lesbar. Größtes Manko: Die Länge beziehungsweise Kürze. Nach der Lektüre bleibt man mit dem Gefühl zurück, gerade einmal den Prolog …

Kind des Blitzes 3

Hatte ich die ersten beiden Bände noch über den grünen Klee gelobt, hat die Begeisterung bei der Lektüre des Abschlussbandes der Trilogie merklich nachgelassen. Liegt es daran, dass Autor Bichebois schon wieder seine etwas befremdliche Strategie anwendet (dieses Mal direkt am Anfang des Albums), eine Zwischenhandlung einfach komplett zu überspringen? Das erscheint keineswegs als eleganter Erzählkniff, sondern erzeugt eher das Gefühl, dass einfach ein paar Seiten aus dem Comic gerissen wurden (was ich sogar für einen kurzen Augenblick vermutete). Vielleicht stellt sich aber auch eine Art Abgeklärtheit ein angesichts der nicht enden wollenden Dramen, die Laith, der Waisenjunge mit den mysteriösen Kräften, durchmachen muss. Irgendwann ist das Mitleidspotenzial für einen Helden, der nun drei Comicalben lang ohne viele Lichtblicke einen Schicksalsschlag nach dem anderen einsteckt, wohl einfach aufgebraucht. Oder ist es eine gewisse Enttäuschung angesichts der mit Spannung erwarteten Aufklärung um Laiths Herkunft und die Ursache für seine besonderen Fähigkeiten? Die gelieferte Erklärung ist zwar eine Abwechslung von der allzu oft  durchgenudelten „Kräfte wurden von Göttern/einem höheren Wesen verliehen“-Leier, aber statt originell zu erscheinen, erweckt …

DC Premium 56: Green Arrow & Black Canary

 Oliver Queen und Dinah Lance, der grün gewandete Bogenschütze mit der linksliberalen Attitüde und die Netzstrumpf tragende Nahkampfexpertin mit dem Sonarschrei, gehören zu den langlebigsten Paarungen im Superheldengenre. Aber wir reden hier nicht von einer braven Bindung a la Reed und Susan Richards. Black Canary und Green Arrow sind eher Liz Taylor und Richard Burton des Superheldengenres mit ihrer ziemlich wilden, unstetigen Beziehungskiste inklusive Affären, Tod und Wiedererweckung eines Partners und wiederholter Trennung. Ob die Ehe da die beste Idee ist, bezweifelt dementsprechend nicht nur der Leser, sondern auch Black Canary selbst, nachdem sie von ihrem zielsicheren Verehrer mit einem Heiratsantrag überrascht wurde.

Voll schwule Superhelden – Homosexualität in Comics Teil 2

 Nachdem sich Teil 1 unseres Artikels um Comics im Allgemeinen drehte, widmen wir uns im zweiten Teil ausschließlich dem ur-amerikanischen Genre der Superheldencomics. Homosexuelle Heldinnen und Helden sind dort auch heute noch alles andere als eine Selbstverständlichkeit und werden nicht nur unter den Lesern, sondern auch in den US-Medien teils hitzig debattiert. Neben Kontroversen um das Sexualleben von Comicfiguren beleuchten wir Zensurmaßnahmen, den ersten gleichgeschlechtlichen Kuss unter Superhelden und überraschende Coming Outs von kostümierten Verbrechensbekämpfern.

Schwule Hasen und echte Mädels – Homosexualität in Comics Teil 1

 Update 03.08.2009:
Dieser zweiteilige Artikel hat den Sonderpreis des Felix-Rexhausen-Preises (Medienpreis des Bundes Lesbischer und Schwuler JournalistInnen (BLSJ)) 2009 gewonnen!

Wem zum Thema „Homosexualität in Comics“ nur Ralf Königs Knubbelnasen einfallen, wird staunen, was es noch alles gibt: Der folgende Artikel bietet im ersten Teil eine Übersicht über schwule und lesbische Figuren und Geschichten in Comic Strips, Mainstream- und Indiecomics – von den Anfängen in der Undergroundszene bis heute.
Auch dem in Deutschland noch recht jungen Phänomen der Boys-Love- und Yuri-Manga gehen wir auf den Grund und haben dazu zusätzlich Vertreter der Verlage Carlsen und EMA befragt.