Alle Artikel mit dem Schlagwort: Anspruch

Heute ist der letzte Tag vom Rest Deines Lebens

teaser_heuteist.jpgEs ist 1984, Ulli ist gerade 17 geworden und lebt mit ihrer älteren Schwester in Wien, wo sie sich vor allem in der Punk-Szene bewegt. Auf Schule und Ausbildung hat sie gerade keine Lust, sie will experimentieren und das Leben möglichst spontan kennenlernen. Kein langes, rationales Abwägen, „Jetzt oder nie“ heißt die Devise. Das gilt auch, als ihre neue Bekanntschaft, die ein Jahr ältere Edi, vorschlägt, man könne doch einfach mal nach Italien fahren. Und zwar ohne Geld, ohne Gepäck und ohne Papiere. Was folgt, ist ein zweimonatiger Trip, der mit dem Wort „Abenteuer“ nur unzureichend beschrieben ist. Mehr als 20 Jahre später hat Ulli Lust aus ihren Erlebnissen von damals eine autobiographische Comicerzählung geformt, die den Leser in mehrfacher Hinsicht zum Staunen bringt.

Jenseits

 Zuerst sieht alles ganz putzig aus: Eine junge Frau empfängt einen jungen Herrn, einen Prinzen, und bei einer Tasse Kakao findet eine zarte Annäherung statt. Die Figuren sehen niedlich aus, als wären sie Märchenbüchern für Kinder entsprungen, sie sind in fröhlichen Farben koloriert. Doch bald löst sich der Raum um sie herum auf, sie müssen fliehen und ein großes Splashpanel zeigt dem Leser, in welcher Behausung die netten Wesen gelebt haben: Sie sind winzig kleine Gestalten, und sie kommen aus dem Körper eines kleinen toten Mädchens gekrochen. Wie Gulliver liegt dieses Mädchen am Boden, im Vergleich zu den kleinen Lebewesen wirkt es wie ein Riese.

Elender Krieg: 1914 – 1915 – 1916

 Jacques Tardi ist vor allem für seine Kriminalgeschichten bekannt. Daneben hat er sich aber auch immer wieder historischen Themen gewidmet. Zuletzt hat er in seiner vierbändigen Arbeit über den Aufstand der Pariser Kommunarden von 1871 (Die Macht des Volkes) die Genres Detektivgeschichte und Historie in kunstvoller Art und Weise verbunden. Außerdem hat Tardi in seinen Arbeiten Soldat Verlot (zusammen mit Didier Daeninckx) und Grabenkrieg bereits Antikriegscomics vorgelegt, in denen er die Erlebnisse seines Großvaters in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs verarbeitete. Auch die auf zwei Alben angelegte Zusammenarbeit mit dem Historiker Jean-Pierre Verney stellt eine kritische Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg dar: Elender Krieg 1 befasst sich mit den Kriegsjahren 1914 – 1915 – 1916 und der zweite Band, der 2010 erscheinen soll, wird die Jahre 1917 – 1918 – 1919 abdecken.

Robert Crumbs Genesis

 Wenn Robert Crumb, Comiclegende und Urvater der Underground-Comix, nach jahrelanger Funkstille wieder ein neues Werk vorlegt, ist das schon etwas Besonderes. So besonders, dass das Album praktisch gleichzeitig auf Englisch, Französisch und Deutsch erscheint. Das könnte freilich auch damit zu tun haben, dass man hier keine eigene Übersetzung anfertigen musste. Der Text liegt schließlich längst vor: Es handelt sich um das Buch Genesis, die ersten 50 Kapitel des Alten Testaments.

Prosopopus

 Ich dürfte wohl nicht der einzige gewesen sein, der sich über den seltsamen Titel „Prosopopus“ gewundert hat. Und auch nach dem Lesen des Bandes ist man nicht wirklich schlauer. Sprachlich abgeleitet ist Prosopopus von dem Begriff „Prosopopöie“, was aus dem Griechischen stammt und als rhetorisches Mittel für das Einsetzen einer abwesenden oder leblosen Person oder eines Tieres als Erzähler einer Geschichte gilt.

Von der Natur des Menschen

 Ursprünglich sollte der Titel der deutschen Übersetzung dieses Comics Die kaukasische Ulme lauten. Da sich dieser jedoch lediglich auf eine der enthaltenen Erzählungen bezogen hätte, tat man bei Carlsen gut daran, den Titel nochmal zu überdenken. So heißt der Band nun vielsagenderweise Von der Natur des Menschen; vom ersten Eindruck her klingt der zwar austauschbar und pathetisch, aber damit hat man von Verlagsseite in jedem Fall den Nagel auf den Kopf getroffen.

Der spazierende Mann

 Der unermüdliche Pionier Jiro Taniguchi dringt erneut in schwer zugängliche Gefilde des Erzählens vor und erweitert wieder die Grenzen der Comicliteratur – im Buch Der spazierende Mann überaus gelungen.
Was erzählt die Geschichte? Keine Geschichte!
Was ist die Handlung? Keine Handlung!

Wimbledon Green

 Eigentlich sollte es nur eine Fingerübung sein, kleine Comic-Episoden für das private Skizzenbuch. Der kanadische Comic-Künstler Seth (Eigentlich ist das Leben schön) kreierte hierfür die Figur des Wimbledon Green, eines sehr beleibten, verschrobenen und exzentrischen Comicsammlers. Und bald fand er an jenen Versuchen so viel Gefallen, dass er beschloss, mehr daraus zu machen und sie gesammelt als Buch zu veröffentlichen.

Das Ende der Welt

 In einer regnerischen Nacht geschieht ein schrecklicher Unfall: Eine Familie ist mit ihrem Wagen gerade auf dem Weg ins Krankenhaus, da bei der Mutter die Wehen eingesetzt haben, als ein Baumstamm, durch das Unwetter entwurzelt, auf das Fahrzeug fällt.

Der Jude von New York

 Ein Mann im Gummianzug, der bevorzugt im Wasser spazierengeht. Ein wohlhabender Händler, der sich nur mit einem Handtuch kleidet und im Freien schläft. Ein Mann, der Geräusche sammelt, die die Menschen beim Essen und Trinken machen, um daraus ein Wörterbuch zu erstellen. Ein Unternehmer, der den Eriesee mit Kohlensäure anreichern und das Wasser per Pipeline direkt nach New York leiten will. Diese skurillen Gestalten (und das sind längst nicht alle) bevölkern Ben Katchors Comic Der Jude von New York, der im Jahr 1830 spielt.