Alle Artikel mit dem Schlagwort: Graphic Novel

Vier Augen

 Auf einer Podiumsdiskussion vor einigen Wochen im Münchener Literaturhaus wurde zum x-ten Mal über das Für und Wider des Prädikats „Graphic Novel“ und seiner Stellung auf dem Buchmarkt gesprochen. Ein nicht uninteressanter Vorschlag kam dabei von Armin Abmeier, dem Herausgeber von Die Tollen Hefte: Man könnte doch anspruchsvolle Comics wie Romane behandeln und sie in die jeweilige Genre-Kategorie in der Buchhandlung einordnen, um so Vorurteile gegenüber dem Comic zu überbrücken. Ein Comic mit dem Aufkleber „Graphic Novel“, der diesen Weg hier exemplarisch gehen soll, ist Sascha Hommers neuer Comic Vier Augen aus dem Hause Reprodukt.

Heute ist der letzte Tag vom Rest Deines Lebens

teaser_heuteist.jpgEs ist 1984, Ulli ist gerade 17 geworden und lebt mit ihrer älteren Schwester in Wien, wo sie sich vor allem in der Punk-Szene bewegt. Auf Schule und Ausbildung hat sie gerade keine Lust, sie will experimentieren und das Leben möglichst spontan kennenlernen. Kein langes, rationales Abwägen, „Jetzt oder nie“ heißt die Devise. Das gilt auch, als ihre neue Bekanntschaft, die ein Jahr ältere Edi, vorschlägt, man könne doch einfach mal nach Italien fahren. Und zwar ohne Geld, ohne Gepäck und ohne Papiere. Was folgt, ist ein zweimonatiger Trip, der mit dem Wort „Abenteuer“ nur unzureichend beschrieben ist. Mehr als 20 Jahre später hat Ulli Lust aus ihren Erlebnissen von damals eine autobiographische Comicerzählung geformt, die den Leser in mehrfacher Hinsicht zum Staunen bringt.

Klezmer 2

Kauft man Comics von Joann Sfar, scheint das Geld stets gut angelegt zu sein. So auch bei seinem Werk Klezmer, eine gezeichnete, musikalische Folklore-Geschichte über eine jüdische Band. Thematisierte Sfar in Band 1 noch ausführlich die Zusammenkunft der eigenwilligen Klezmer-Kapelle, so kann man diese jetzt bei einem Auftritt begleiten. Im prunkvollen Haus der alten Dame Scylla wird Geburtstag gefeiert, entsprechend inszeniert Sfar die musikalische Untermalung, die durch seine illustren Figuren Ausdruck findet und  die die Gäste den ganzen Abend über begleitet. Die Story ist so hervorragend gelungen, weil sie ständig verschiedene Handlungsorte umkreist und an jedem dieser Orte eine neue Anekdote oder eine weitere intime Begegnung lauert. Dabei verbleibt alles Gesehene innerhalb der Wände der Gastgeberin, erzählt wird auch – zeitlich gesehen – ausschließlich im Rahmen der abendlichen Feier. Scheinbar mühelos jongliert der Künstler hier mit einer unstetigen Aquarelltechnik, bei der die schwarzen Vorzeichnungen großzügig übermalt werden. Im weitschweifigen Anhang, der Sfars Ausführungen zu dieser Thematik enthält, weist er explizit darauf hin, dass die Übergänge fließend sein müssen und dass die Farben nicht gemäß ihrem …

Das Ende der Welt

 In einer regnerischen Nacht geschieht ein schrecklicher Unfall: Eine Familie ist mit ihrem Wagen gerade auf dem Weg ins Krankenhaus, da bei der Mutter die Wehen eingesetzt haben, als ein Baumstamm, durch das Unwetter entwurzelt, auf das Fahrzeug fällt.

Der Jude von New York

 Ein Mann im Gummianzug, der bevorzugt im Wasser spazierengeht. Ein wohlhabender Händler, der sich nur mit einem Handtuch kleidet und im Freien schläft. Ein Mann, der Geräusche sammelt, die die Menschen beim Essen und Trinken machen, um daraus ein Wörterbuch zu erstellen. Ein Unternehmer, der den Eriesee mit Kohlensäure anreichern und das Wasser per Pipeline direkt nach New York leiten will. Diese skurillen Gestalten (und das sind längst nicht alle) bevölkern Ben Katchors Comic Der Jude von New York, der im Jahr 1830 spielt.

Die drei Paradoxien

 Paul Hornschemeier dokumentiert einen Besuch bei seinen Eltern, während dessen er an einem Comic zeichnet, der ihm einfach nicht gelingen will. Immer wieder verwirft er die Seiten und sieht sich mit der Frage konfrontiert, wohin seine Geschichte um einen Jungen, der ebenfalls Paul heißt und einen Zauberbleistift besitzt, eigentlich führen soll. Während seines Aufenthaltes schweifen Hornschemeiers Gedanken aber auch immer wieder in seine Jugend ab.

Das Zeichen des Widders

 Die französische Schriftstellerin Fred Vargas (die eigentlich Frédérique Audoin-Rouzeau heißt), gehört seit etlichen Jahren zu den beliebtesten Krimi-Autoren, nicht nur in Frankreich, sondern auch bei uns. Ihre Krimis um den Kommissar Adamsberg bzw. um „Die drei Evangelisten“ stehen regelmäßig auf den Bestsellerlisten und haben etliche Preise gewonnen. Ihr deutscher Verlag Aufbau hat sämtliche in Frankreich erschienenen Romane auf deutsch veröffentlicht, nur bei einem hat er lange gezögert: Das Zeichen des Widders, in Frankreich im Jahr 2000 erschienen, ist nämlich ein Comic.

Berlin 2: Bleierne Stadt

 Der erste Band von Jason Lutes‘ Berlin-Saga erschien im September 2003 in Deutschland. Ganze fünf Jahre vergingen, bis nun endlich der Folgeband vorliegt. Weil Zeichner und Autor Lutes nicht allein von der Produktion seiner Berlin-Comics leben kann, ist das Veröffentlichungstempo sehr gemächlich. In den USA erscheint jedes Kapitel als einzelnes Heft, der Carlsen Verlag wartete dagegen ab, bis er einen Sammelband veröffentlichen konnte. Das Warten hat sich gelohnt.

Che

 Die Kurzbiografie des Ernesto Che Guevara ist in mehrerer Hinsicht etwas Besonderes, aber auch mit Vorsicht zu genießen. Über 40 Jahre alt ist diese Graphic Novel, 1968 fertiggestellt. Das verleiht dem Comic die Exklusivität eines engagiert komponierten, historischen Zeitdokuments. Fantastische Bilder und Szenarien haben Alberto Breccia für die Lebensgeschichte Ernesto Guevaras und sein Sohn Enrique für Aufenthalt und Tod in Bolivien erfunden. Aus dem Aufenthalt in Bolivien heraus erfolgen im Wechsel die Rückblicke auf das frühere Leben Ernesto Guevaras. Zu den Bildern liefert Héctor Gérman Oesterheld ein Stakkato an prägnanten Textpassagen von selten gespürter Poesie. Und ganz nebenbei wird endlich erklärt, wie Ernesto Guevara zu seinem Spitznamen „Che“ gekommen ist.

Muchacho

 Um es gleich vorweg zu sagen: Eine erstklassige Graphic Novel! Emmanuel Lepage hat nicht nur ein außergewöhnliches Thema aufgegriffen, sondern auch eine fantastische Erzählweise gefunden. Muchacho erzählt die Geschichte des jungen angehenden Priesters Gabriel im revolutionären Nicaragua von 1976, kurz vor dem Umsturz der Diktatur des Familienclans der Somozas und dem Sieg der Sandinisten 1979. Gabriel de la Serna stammt selber aus einer der Familien, die dem Somoza-Regime nahe stehen. In ein Dorf geschickt, um in der dortigen Kirche ein Wandbild zu malen, wird er mit dem prallen Leben der einfachen Menschen konfrontiert: verführerische Frauen, Träume und Hoffnungen der Dorfbewohner, Repression durch die Guardia Somozas und die heimliche Organisation des gewaltsamen Widerstands.