Man erinnere sich: Am Ende des ersten Bandes lagen unsere drei Helden Eustache, Mücke und Zibeline mehr tot als lebendig da. Nun lecken sie ihre Wunden und müssen erkennen, dass alle ihre Aktionen ihnen nichts gebracht haben. Zu Geld sind sie immer noch nicht gekommen und auch der Schatz von Eustaches ehemaligem Boss ist noch nicht gehoben. Doch es kommt schlimmer: Der Baron Harcourd hat überlebt und setzt alle Hebel in Bewegung, die drei zu finden und zu töten.
Eine der größten Stärken des Bandes ist ironischerweise auch eine seiner größten Schwächen. Die schlechte Nachricht zuerst: Die Handlung ist ziemlich entschleunigt und es braucht seine Zeit, bis sich die Protagonisten zu ihren nächsten Schritten entschließen. Dann ist man aber am Ende versöhnt, wenn die Story ein hohes Tempo anschlägt, Dramatik entwickelt und die Figuren noch tiefer ins Elend reißt.
Der Grund für die Entschleunigung sind die Folgen aus dem ersten Band. Wer sich schon immer gefragt hatte, wie es fiktiven Figuren nach ihren Abenteuern geht, der bekommt hier nämlich die Antwort: schlecht. Eustache, Mücke und Zibeline haben nicht nur körperliche Schäden davongetragen, die mit der Zeit, wenn sie diese hätten, verheilen würden, sondern auch psychische. Und so sind sie depressiv, eingeschüchtert, verzweifelt und fragen sich nach dem Sinn ihres Handelns. Mücke erinnert sich an seine Vergangenheit und wir lernen ihn näher kennen. „Herr Mond“ ist nicht nur der Titel des Bandes, sondern auch Mückes ehemaliger Künstlername. Eustache versucht alle im Elan zu halten, gerät damit aber in Konflikt mit Mücke, der Zibeline misstraut und sie nicht in seiner Nähe haben will. Am ärgsten geht es Zibeline. Vergewaltigt, geschunden, fast getötet worden, erträgt sie keine Berührungen mehr und ist vollkommen depressiv. Eustache kann damit nicht umgehen.
Dieser inhaltliche Aspekt ist eine große Stärke und bestimmt die Handlungsweisen der Figuren auch im Folgenden. In dieser Hinsicht ist das Album ein großer Wurf und verleiht der generell schon düsteren Story der Serie noch einen ebensolchen psychologischen Aspekt. Die Helden müssen eine Niederlage nach der anderen hinnehmen. Da wäre das Beleuchten der individuellen Vergangenheit gar nicht unbedingt nötig gewesen, weil es eher ablenkt. Man braucht nur bedingt eine Identifizierung, denn die Schicksalsschläge machen die Figuren auch so zu Sympathieträgern. Insofern ist es sehr erstaunlich, dass der Abgang einer wichtigen Figur recht undramatisch, aber wirkungsvoll, ausfällt. Und das ist vielleicht der größte Kritikpunkt an dem Band. Vielleicht hatten die Macher da Angst vor zu vielen Emotionen.
Die Zeichnungen wurden schon in der Besprechung zum ersten Band gelobt. Und, kaum zu glauben, sie steigern sich noch. Hier lebt die Story viel von der Mimik, und da gelingt es Cecil, sich aller Übertreibungen zu enthalten. Da reicht auch mal eine hochgezogene Augenbraue. Die Steampunkwelt stellt er weiter opulent und in guter Farbgebung dar. Das Spiel mit den Panelrändern suggeriert Erinnerungen und Bewegung. Hier kommen sogar noch zusätzliche Elemente hinzu. Waren im ersten Band Soundwörter vornehmlich durch Risse an den Seiten symbolisiert, setzt Cecil hier direkt stilisierte Schallwellen ein, was sehr geschickt ist und gleichzeitig das Lesen etwas erleichtert.
Wertung:
Düstere Film-Noir-Story mit sehr guten graphischen Ideen und starker psychologischer Unterfütterung
Schmetterlingsnetzwerk 2 – Herr Mond
Splitter Verlag, Oktober 2011
Text: Eric Corbeyran und Cecil
Zeichnungen: Cecil
48 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 13,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-287-7
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Abbildungen © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag