Die Serie Schmetterlingsnetzwerk von Eric Corbeyran (Metronom, Der Gesang der Strygen, Assassin’s Creed) und Cecil (Holmes, Piccolo) machte schon einmal einen Anlauf in Deutschland. Die ersten beiden Bände erschienen 2001 und 2003 bei Arboris. Zu einer Veröffentlichung des finalen dritten Bandes kam es dann gar nicht mehr. Hoffentlich bekommt die Serie bei ihrem zweiten Anlauf im Splitter-Verlag mehr Aufmerksamkeit als damals. Verdient hätte sie es.
Der etwas merkwürdige Titel „Schmetterlingsnetzwerk“ bezeichnet eine Zunft von Dieben in einer französischen Großstadt, die zwar kriminell sind, aber nach strengen Regeln arbeiten. Eustache und Mücke sind zwei aus jener Zunft, die zusammen Einbrüche begehen. Als sie im Büro des Barons Harcourd einen merkwürdigen Filmstreifen stehlen, auf dem eine Frau gequält wird, beschließen sie, den Baron zu erpressen. Doch der hat mächtige Freunde und die Angelegenheit ist komplizierter, als es den Anschein hat.
Schon der Beginn lässt Anleihen beim Steampunk erkennen, ohne dass der Band diesem Genre direkt zuzurechnen wäre. Allenfalls im Dekor kommen futuristische Elemente vor, die meist die Fortbewegungsmittel betreffen. Ansonsten ist das Ambiente scheinbar ganz in der Belle Époque angesiedelt. Technische Neuerungen wie Film, Automobil oder Telefon kontrastieren mit einem Stadtdekor, welches die Handlung auch einhundert Jahre früher einordnen könnte. Aber um Fantasy handelt es sich bei dem Comic auch nicht. Vielmehr wurde die Geschichte außerhalb jeder greifbaren historischen Zeit angesiedelt und ist eigentlich ein klassischer Noir-Krimi. Nicht nur sind die Helden dem kriminellen Milieu zuzuordnen, auch die Story ist ziemlich düster, in der es um Vergewaltigung, Mord, Voyeurismus und Snuff-Filme geht.
Damit ist beileibe noch nicht zu viel verraten, da diese Elemente noch vor der Hälfte des Bandes für den Leser klar sind. Der Rest ist Action und die Versuche, aus dem Wissen Kapital zu schlagen. Dabei ist die geschilderte Welt und deren Gesellschaft, wiederum ganz im Sinne des Film Noir, völlig verrottet. Hinter dem schönen Dekor gibt es nichts als Dekadenz, Perversion, Unmoral und Verbrechen. Alle Charaktere im Band sind gebrochen und haben anscheinend nur ihr Eigenwohl im Sinn. Gegen Ende zeigt sich, dass zumindest die Kleinkriminellen einen Sinn für Ehre haben. Sie versuchen nur noch sich selbst und die anderen zu retten. Dabei schafft es der erste Band der Reihe, die Geschichte gleichzeitig zu einer Art Abschluss zu bringen, aber dennoch einige wesentliche Elemente offen zu halten, so dass man gespannt auf die Fortsetzung sein kann.
Bei Cecils detailreichen, ja opulenten Zeichnungen kann man sich richtig in den Einzelheiten verlieren und in das Ambiente eintauchen, was bei einer solchen Story die Wirkung noch verstärkt. Die sehr gute Farbgebung setzt geschickt Lichteffekte. Was aber besonders gut gelungen und originell ist, ist der dramaturgische Einsatz der Panelränder. Es gibt in dem Band keine Lautmalereien, stattdessen werden Geräusche an den Panelrändern verdeutlicht. So sind zum Beispiel beim Klingeln eines Telefons oder bei Schüssen leichte „Risse“ an den Seiten zu sehen. Als ein Fahrstuhl sich bewegt, wird die Bewegung dadurch verdeutlicht, dass die Panelränder nicht mehr gerade sind.
Bei Erinnerungsszenen sind die Panels eingerissen und erinnern damit an abgegriffene Fotos, welche ja die Vergangenheit festhalten wollen. Anfangs irritieren diese ungewohnten Elemente den Leser. Aber genau das will man ja haben: einen ungewöhnlich gestalteten, inhaltlich mitreißenden Comicband.
Wertung:
Düstere Noir-Story in historischem Ambiente, graphisch mit sehr guten Ideen umgesetzt.
Schmetterlingsnetzwerk 1 – Nachtfalter
Splitter Verlag, Juli 2011
Text: Eric Corbeyran, Cecil
Zeichnungen: Cecil
48 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 13,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-286-0
Leseprobe
Abbildungen © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag
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