Rezensionen

Saria 1&2

Cover Saria 2Wenn sich zwei Großmeister des Comics zusammentun, läuft dem geneigten Leser immer das Wasser im Munde zusammen. An Jean Dufaux kommt eh keiner mehr vorbei: Nicht nur ist er einer der fleißigsten Autoren in diesem unserem Lieblingsmedium, er kann mit seiner Themenwahl manchmal durchaus überraschen und kennt sich zudem in jedem Genre aus. Egal ob man nun Krimis, Horror, Fantasy oder Historiengeschichten mag, in jedem Falle hatte man bestimmt schon mal einen Band aus seiner Feder in der Hand. Paolo Serpieri kennt sich dafür mit dunklen psychischen und physischen Abgründen aus. Seine Serie Morbus Gravis samt ihrer Heldin Druuna ist legendär, nicht nur für Freunde der Science-Fiction, sondern auch der (durchaus derberen) Erotik. Wenn sich zwei Stars eines solchen Kalibers zusammenfinden, schrauben sich die Erwartungen enorm in die Höhe. Gemeinsam haben Dufaux und Serpieri 2007 die Serie Die Unterwelt gestartet, deren erster Band 2008 in der Edition Venus auch auf Deutsch erschien. Nach einer längeren Pause und einem Verlagswechsel geht es nun mit einem neuen Zeichner weiter. Der Splitter Verlag beginnt seine Ausgabe unter dem neuen Titel Saria erneut mit dem ersten Band.

Saria ist die Tochter eines italienischen Fürsten und erbt auf dessen Sterbebett etwas sehr Kostbares, mit dem aber auch eine enorme Gefahr einhergeht. Denn sie erhält drei Schlüssel, von denen einer die Pforten zum Himmel öffnet, ein anderer die der Hölle, und der dritte ins Nichts führt. Nur weiß niemand, welcher Schlüssel für welches Schloss passt. Dennoch wollen alle die Schlüssel an sich bringen und scheuen vor keiner Gewalttat zurück. So ist der mächtige Doge Venedigs mit seiner Miliz ebenso auf auf der Jagd nach Saria wie ein wahrhaftiger Dämon.

Seite aus Saria 1In dieser Mischung aus Fantasy, History, Horror und Steampunk geht vieles auch abseits der Genregrenzen durcheinander. Das hat zwar durchaus seinen Reiz, läuft aber noch nicht sonderlich harmonisch zusammen. Ob sich da zwei große Egos im Wege standen? Serpieri bringt wieder deutliche Einflüsse seines bisherigen Schaffens ein, indem er die Lagunenstadt Venedig mit metallisch wuchernden Objekten versieht, wie man sie schon in Morbus Gravis sehen konnte. Das will nicht so recht passen: der Bruch mit dem historischen Setting fällt da eher negativ auf. So können die übernatürlichen Zutaten und die technologischen Steampunk-Elemente auch nicht mehr besonders überraschen und zünden. Graphisch gesehen steht von vornherein fest, dass wir uns eh in einer abstrakten Welt befinden. Das erinnert zumindest optisch sehr an Druuna, wenn auch mit einem viel dezenteren (und sehr prüden) Einsatz von Erotik. Auch die menschlichen Abstraktionen in Form einer Erkrankung mit wuchernden Gliedmaßen und Entstellungen werden vor allem Leser von Druuna schon kennen. Serpieris Fans wird es freuen, vor allem da er seinem unverwechselbaren Schraffurstil treu geblieben ist. Aber neu ist das alles nicht und zeugt eher von einem gewissen Stillstand.

Für den zweiten Band hat dann ein anderer Zeichner die Feder übernommen, Riccardo Federici, und bei genauerer Betrachtung kann er einige der oben genannten Aspekte vermeiden. Federici hält sich eher an die Figuren und beachtet weniger das Setting. Zwar haben Serpieris Vorlagen noch Bestand, aber die Wucherungen an den Gebäuden sehen nun weniger technikbasiert, sondern organisch aus und machen den generellen Verfall und die Fäulnis glaubhafter. Dadurch gehen die Zeichnungen mit der Story eine harmonischere Mischung ein, wenngleich ein einzigartiger Stil wie bei Serpieri fehlt. Federici hat eine sehr naturalistische Herangehensweise, was zwar glatter, aber in einigen Szenen sehr viel überzeugender wirkt als die Zeichnungen vom Großmeister. Ansonsten bemüht sich Federici, eine möglichst ähnliche, wenn auch gefälligere Kopie seines Landsmanns zu Papier zu bringen.

Seite aus Saria 2Dufaux beschränkt sich gar nicht auf ein rein historisches Abenteuer, sondern baut aktuelle Bezüge ein. Er erzählt eine Parabel über Religion und Macht, die aktuelle und historische Bezüge vermischt. Der Doge erinnert vom äußeren her an Papst Pius XII., der während des Zweiten Weltkriege das Pontifikat innehatte und im historischen Rückblick wegen seines Schweigens zur Judenverfolgung stark kritisiert wird. Der Hauptmann der Miliz ist, zeitlich sehr passend, Benito Mussolini nachempfunden. Dementsprechend tragen die Milizionäre die Uniformen der italienischen Faschisten. Allein schon durch die Kollaboration dieser beiden Figuren wird politische mit religiöser Macht verwoben. Dazu kommt noch die typische Kritik an den Untaten der Inquisition, wobei Dufaux das immerhin harmonisch einfügt.

Dass unter dem Deckmantel des Glaubens egoistische Zwecke verfolgt und alles dem Streben nach Macht untergeordnet wird, ist leider auch nicht neu. Und bei all den verschiedenen Zutaten werden die Gewürze dann leider vergessen. Denn die eigentliche Handlung um die drei geheimnisvollen Schlüssel verliert Dufaux im zweiten Band deutlich aus den Augen und droht sich in Nebensträngen zu verlieren. Am Ende des zweiten Bandes öffnet Saria ein Tor und gerät in des Teufels Küche (was durchaus wörtlich zu nehmen ist), aber die anderen beiden Tore sind nicht mal gefunden. Stattdessen wurde viel Zeit darauf verwendet, Verbündete zu suchen und den religiösen Konflikt und einen Staatsumsturz einzubauen, was den Fokus von der Heldin weg bewegt. Somit bleibt wenig Raum für den Abschluss der Serie, die auf drei Bände angelegt ist.

 

Wertung: 7 von 10 Punkten

Jeder der beiden Stars bringt seine Eigenheiten mit ein, doch manchmal stehen sie sich im Wege und vernachlässigen die Handlung.

 

Saria
Splitter Verlag
Text: Jean Dufaux
Übersetzung: Resel Rebiersch
je 64 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: je 14,80 Euro

Band 1: Die drei Schlüssel
Zeichnungen: Paolo Serpieri
ISBN: 978-3-86869-610-3
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Band 2: Engelspforte
Zeichnungen: Riccardo Federici
ISBN: 978-3-86869-611-0
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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag