Man kann so manchen Fan schon stöhnen hören: „Nicht schon wieder eine neue Vampirserie“. Wahrlich machen sie ihrem Namen als Untote alle Ehre. In den letzten Jahren ist in jedem popkulturellen Bereich eine schon fast unübersehbare Anzahl an neuen Titeln und dementsprechend auch Interpretationen festzustellen. Die Blutsauger sind eben nicht unterzukriegen. Zwielicht ist es als einer neuen Vampirserie durchaus gelungen, in einem ziemlich ausgesaugten Segment einige recht neue Aspekte zu finden.
Dabei fängt der Comic nicht unbedingt spektakulär an. Starautor Corbeyran (Der Gesang der Strygen, Schmetterlingsnetzwerk u.v.a.) entwirft darin eine Steampunkwelt, in der eine Stadt von großen, dichten Wäldern umgeben ist, in denen Vampire hausen. Das ist schonmal ein großer Pluspunkt. Warum kam eigentlich so gut wie niemand vorher auf die Idee, Steampunk mit Vampiren zu verbinden? Es fängt also vielversprechend an, das viktorianische Flair ist immer noch das Nonplusultra, wenn es um Vampire geht, weil es eben diese zu ihren den Wurzeln im Gothic Horror zurückführt.
Jedenfalls sehen sich die Menschen dazu genötigt, Milizen aufzustellen, um die Sicherheit auf den Straßen zu gewährleisten. Der Anführer der Nachtmiliz ist der geheimnisvolle Wölfel von Ulf, das Ziehkind des aktuellen Bürgermeisters und Stiefbruder des neidischen Anführers der Tagesmiliz. Wölfel wurde als Kind im Wald gefunden. Da dies aber bei Tag geschah, ist er kein Vampir und wurde adoptiert. Nun stellt sich aber heraus, dass offenbar eine neue Rasse von Vampiren entsteht, deren erster Vertreter Wölfel sein könnte.
Eigentlich gehört es zum Wesen des Steampunk, dass viktorianische Elemente mit Science-Fiction vermischt werden. Letzteres ist hier kaum zu finden, wenn man mal von einigen Fahrzeugen und Waffen absieht. Strenggenommen spielt Zwielicht also nicht direkt in einem Steampunk-Setting, aber bei weitem auch nicht in einem historischens Umfeld. Corbeyran entwirft hier durchaus eine fremde Welt, so dass man Zwielicht getrost dem Genre zurechnen kann. Erstaunlicher- und bedauerlicherweise ist auch der Horror nicht sonderlich ausgeprägt. Aber keine Sorge, es handelt sich auch nicht um romantisches Geschnulze wie in Twilight und dessen Nachkommen.
Im ersten Band der Serie überwiegt Politik und ein Intrigenspiel, das sich gegen den Helden richtet. Dessen mögliche Vampiridentität dient mehr als willkommener Angriffspunkt für die Intrigen seiner Gegner denn als Grundlage für ein Horrorszenario. Corbeyran lässt dabei auf sehr geschickte Weise einige Intrigen ins Leere laufen. Da wird erst lange geplant und dann geschehen Dinge, die das alles obsolet werden lassen. Das dürfte bei solchen Winkelzügen wohl häufiger der Fall sein.
Phasenweise tritt der Band allerdings ziemlich auf der Stelle und ist auch sehr geschwätzig geraten. Erst gegen Ende nimmt die Handlung Fahrt auf. Allerdings auch in einem negativen Aspekt: Der Held findet sich mit den für ihn negativen Enthüllungen erstaunlich schnell ab. Auch die Liebesgeschichte ist zwar für die weibliche Figur glaubwürdig ausgestaltet, aber für die männliche nicht direkt überzeugend.
Insgesamt kann die Story also noch nicht komplett überzeugen, aber dafür macht die Graphik einiges wett. Gekonnt verbindet Tihomir Celanovic Elemente der viktorianischen Epoche mit Steampunk und schafft es, auch noch Noir-Zutaten dazu zu nehmen. So ist die Stadt an sich ein wesentlicher Bestandteil der Erzählung und es gibt viele schöne Einfälle, wie etwa die teils ungewöhnliche Darstellung von Dialogen. So sieht man einen Dialogpartner in einem Panel etwa nur gespiegelt in einer Flasche und später in der Flüssigkeit. Was es ermöglicht, beide Gesprächspartner in einem Panel unterzubringen, ohne konventionell zu werden. Auch die Farbgebung von Nikola Vitkovic kann überzeugen, wenn etwa Rauchschwaden in der Luft hängen. Leider sind die Posen der Figuren manchmal sehr ausladend geworden, mit einer leichten Tendenz zur Theatralik.
Was ist nun aber neu an den Vampiren? Da soll noch nicht allzu viel verraten werden. Jedenfalls werden sie als ein früherer Evolutionszweig des Menschen dargestellt und ähneln nicht nur optisch den Neandertalern. Dementsprechend wird das Bluttrinken natürlich mit Barbarei und entsprechender Zivilisationsferne gleichgesetzt. Wobei auch das Verhalten der zivilisierten Menschen barbarisch anmutet, nur in einer anderen Form. Gerade wegen dieser Aspekte darf man auf die weiteren Bände dieses Dreiteilers gespannt sein.
Wertung:
Die noch nicht ganz überzeugende Story punktet mit gelungener Graphik und interessanten neuen Aspekten, die der Vampirthematik abgerungen werden.
Zwielicht 1 – Wölfel von Ulf
Splitter Verlag, Januar 2012
Text: Eric Corbeyran
Zeichnungen: Tihomir Celanovic
Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 13,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-434-5
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag