Über den Einfluss von H.P. Lovecraft auf die Horror- und Sci-Fi-Literatur muss man wohl nicht mehr viele Worte verlieren. Posthum wurde Lovecraft zum Kultautor und viele Kreative aus diversen Medien bedienen sich seitdem aus seinem Werk oder fühlen sich davon sichtlich inspiriert. Und natürlich gab es auch immer mal wieder den Versuch, originale Lovecraft-Stories in Comicform zu adaptieren. Erik Krieks H.P. Lovecraft – Vom Jenseits und andere Erzählungen ist der vielleicht bis dato ambitionierteste.
Der niederländische Künstler erschuf eine liebevoll gestaltete Hommage, die sich alle Mühe gibt, die gruselige Atmosphäre der Vorlagen in Bilder zu bannen. Insgesamt fünf Episoden versammelt der Comicband. Darunter beispielsweise „Die Farbe aus dem All“, in dem sich nach einem Meteoriteneinschlag auf dem Land eines Farmers eine außerirdische Infektion ausbreitet. Oder die Erzählung „Vom Jenseits“, in der ein Wissenschaftler eine Maschine erbaut, die ein Tor in eine andere Dimension öffnet. Die bei weitem längste Story ist „Schatten über Innsmouth“. Hier wird noch deutlicher als bei den anderen Geschichten, wie sich der Spannungsbogen langsam aufbaut, um dann aus dem mulmigen Gefühl beim Leser mit einem Twist den Schlag in die nervliche Magengrube zu vollziehen.
So sind alle hier zusammengestellten Erzählungen wirklich überzeugend umgesetzt und sorgen für einen schaurigen Leseabend. Die Off-Stimmen der jeweiligen Protagonisten tragen den Plot primär und erzeugen genau die richtige Stimmung aus Unsicherheit und Furcht. Als zweiten atmosphärischen Eckpfeiler des Buches setzte Kriek die übernatürlichen Elemente (Fischwesen, Götter, Tentakel) sparsam und zumeist erst subtil am Ende der Episoden ein. Das ist auch gut so, da die Vorlagen Lovecrafts ihren Reiz ja durchaus daraus beziehen, dass das wirkliche Grauen in den Köpfen der Leser passiert. Kriek muss als Zeichner schließlich auf dem schmalen Grat wandeln, die Stories stimmig zu bebildern, ohne den Horror auszusparen, es aber mit der expliziten Darstellung nicht zu übertreiben. Doch das gelingt dem Niederländer mit seinem eindringlichen Schwarz-Weiß-Strich äußerst gut.
Überhaupt merkt man Kriek an mehr als einer Stelle an, dass es sich bei dieser Adaption um ein Herzensprojekt handelt: Das Cover ziert eine gerahmte Silhouette Lovecrafts, die mit Details aus den Comics ausgefüllt ist, im Innenteil ist ein Selbstporträt Krieks abgedruckt, wie er in einem horrormäßigen Atelier arbeitet und am Seitenrand durchzieht das Buch ein Augapfel, der sich per Daumenkino rotieren lässt. Leider ist man mit der Lektüre des Bandes recht schnell durch. Ein erweiterter Umfang mit deutlich mehr als nur fünf Erzählungen wäre wünschenswert gewesen. Aber wer weiß, vielleicht arbeitet Erik Kriek demnächst an einer zweiten Ausgabe.
Wertung:
Atmosphärisch dichte, liebevolle Lovecraft-Hommage
H.P. Lovecraft – Vom Jenseits und andere Erzählungen
Avant-Verlag, November 2013
Text und Zeichnungen: Erik Kriek, nach H.P. Lovecraft
Übersetzung: Gregor Seferens
112 Seiten, schwarzweiß, Hardcover
Preis: 19,95 Euro
ISBN: 978-3-939080-91-6
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Avant-Verlag