Rezensionen

Sukkubus 1 – Camilla

 Diese Dame verwirrt einem wirklich die Sinne. Sieht man das schön gestaltete Cover mit einer verführerischen Frau und dem Titel Sukkubus, geht man von einer erotisch gestalteten Mysteryserie aus. Ein „Sukkubus“ ist schließlich ein weiblicher Dämon, der durch sexuelle Verführung die Seelen von Männern einfängt. Das ist in diesem Comic aber nicht der Fall. Stattdessen liegt ein ziemlich verwirrender Historiencomic vor, der sich einem nicht so schnell erschließt. Jedenfalls könnte der Leser auch eine Eule als Vogel der Weisheit, der in dem Album häufig vorkommt, gebrauchen.

Zunächst wird der Leser in das antike Ägypten geführt, wo er Zeuge der Konfrontation einer Priesterin mit einem Hohepriester wird. Der Sinn dieser Szene bleibt unklar (abgesehen von dem Tenor „Mann gegen Frau“), denn schon zwei Seiten später befinden wir uns mit der Titelheldin Camilla im Paris des Jahres 1794. Camilla, Mitglied der Sekte „Die Töchter Liliths“, denkt an zwei real existierende Frauen, die für ihre Zeit außergewöhnlich waren: Olympe de Gouges und Manon Roland. Diese beiden Frauen gab es wirklich: Olympe de Gouges, 1748 geboren, kämpfte für die Rechte der Frauen, die ironischerweise auch nach der Revolution keine Bürgerrechte hatten. Die Ex-Kurtisane verfasste 1791 eine „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, die der Erklärung der Menschenrechte nachempfunden war. Dieses Pamphlet war eine Pioniertat des Feminismus, aber auch Anstoß für die Verhaftung ihrer Autorin. Sie wurde auf Befehl Robespierres 1793 geköpft. Manon Roland war die Ehefrau des damaligen Innenministers und führte einen Salon, in dem sich führende Revolutionäre trafen. Als sie ihren Mann veranlasste, eine flammende Rede gegen Danton zu halten, wurde sie verhaftet und 1793 hingerichtet.

 Camilla betrauert den Verlust dieser außergewöhnlichen Frauen, unterstützt aber, wie später deutlich wird, deren Mörder Robespierre, was nicht wirklich logisch erscheint. Die historische Epoche des Terrors nach der Französischen Revolution wird als Hintergrund für ein undurchsichtiges Intrigenspiel benutzt: Die Sekte der „Töchter Liliths“ kämpft gegen den Orden der „Söhne Adams“. Die Handlung lässt sich auf den Kampf Mann gegen Frau herunterbrechen,  wobei die Erzählperspektive fast ausschließlich die Seite der Frauen einnimmt.

Die Sympathien des Autors sind dabei unklar. Einerseits ist der Comic pro-feministisch, da die porträtierten Frauen gegen das Patriarchat und die christlich tradierte Frauenfeindlichkeit angehen. Andererseits unterstützt der Frauenorden die Tyrannei der Jakobiner, um anti-christliche Ziele zu verwirklichen, und gleichzeitig betreibt er den Sturz Robespierres. Das Motiv dafür hätte Autor Thomas Mosdi deutlicher herausarbeiten müssen. Dass die Frauen später auf der Seite Napoleon stehen wollen, kann ich mir auch nur mit dem späteren „Code Napoleon“ erklären, der gleiches Recht für alle gelten ließ (und heute zum größten Teil als Strafgesetzbuch immer noch gilt).

 Völlig schleierhaft sind die Motivation und Intentionen des Ordens „Die Söhne Adams“. Manche historische Ungenauigkeit wie bei der Hinrichtung Robespierres, bei der erklärende Details weggelassen wurden, kann man noch hinnehmen. Aber die inkonsequente Mischung von Symbolen aus den verschiedensten Mythologien zeugt eher von der Intention, eine mystische Stimmung zu erzeugen denn eine wirkliche Geschichte zu erzählen. Jüdische Mythologie (Lilith als erste ungehorsame Frau Adams und Chefdämonin der Hölle) verbindet sich mit ägyptischer Mythologie (der Isiskult)  und einer Prise Griechisch (die Eule als Symbol für die Göttin der Weisheit Athene) zu einer Suppe, die dem Lesermagen nicht unbedingt bekommt.

Die Eule ist nicht nur ein Vogel der Weisheit, sondern auch ein sexuelles Symbol. Sie steht für die Leidenschaft, die mit dem Geist der Menschen kämpft. Insofern ist sie ein sehr treffendes Symbol für den Orden der Lilith und seinen Kampf gegen die Rationalität der Männer. Der Comic scheint sich dem anzuschließen, denn der Rezensent verbleibt ziemlich ratlos. Aber nochmal zum Thema Leidenschaft: Laurent Paturaud versteht es mit seinen wirklich schönen Zeichnungen, vor allem die Frauen sehr verführerisch und erotisch darzustellen. Sie wirken zwar austauschbar – die Haarfarbe ist das eindeutigste Unterscheidungsmerkmal -, machen aber die sehr schwache Handlung zumindest ansehnlich.

Sukkubus 1 – Camilla
Splitter, Dezember 2009
Text: Thomas Mosdi
Zeichnungen: Laurent Paturaud
Hardcover, 48 Seiten, farbig; 13,80 Euro

ISBN: 978-3868690866
Nicht so prickeln

Ein schön gezeichnetes Album mit einer Handlung, die einen ratlos zurücklässt.

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Abbildungen © Laurent Paturaud und Splitter Verlag