Rezensionen

Sin City 4: Dieser feige Bastard


zur Rezension von Benjamin

Rezension von Frauke:

Mit dem vierten Band komplettieren sich die Vorlagen zum 1. Sin-City-Film (dem Inhalt von Band 2 begegnet man erst im 2. Film). 
Eines der schönen Dinge an Sin City ist, dass die Bände unabhängig voneinander sind, so dass man auch mittendrin einsteigen kann. Für Stammleser gibt es allerdings immer wieder das ein oder andere Schmankerl. So findet man hier z.B. Dwight aus Band 2 in der Bar oder die Anwältin Lucille als Nebenfiguren wieder.

Hartigan ist ein Cop, der aufgrund einer Herzerkrankung bereits mit Ende fünzig in den frühen Ruhestand gehen soll. An seinem letzten Arbeitstag bekommt er allerdings von einem Spitzel eine Information, die sein restliches Leben beeinflussen wird.
Der Sohn des Senators Roark steht darauf, sich an kleinen Mädchen zu vergehen und sie anschließend zu töten. Allerdings konnte ihm dies noch nicht nachgewiesen werden. Nun hat er wohl gerade sein viertes Opfer in den Klauen. Hartigan setzt alles daran, die elfjährigeNancy Callahan zu retten – auch wenn er dafür zuerst seinen übervorsichtigen, schmierigen Kollegen Bob k.o. schlagen muss.
Die Rettungsaktion gelingt, wobei sich Hartigans schwaches Herz immer wieder bemerkbar macht. Entgegen aller Dienstvorschriften entwaffnet und verstümmelt er dabei Rourke junior. Daraufhin niedergeschossen von Bob erwacht er in einem Krankenhaus, obwohl er mit seinem Tod gerechnet hätte. Aber der mächtige Senatorenvater hat sämtliche Operationen bezahlt, um ihn für den Rest seines Lebens leiden zu lassen. Ihm wird zur Last gelegt, der gesuchte Kinderschänder zu sein, obwohl er sich standhaft weigert, ein Geständnis zu unterschreiben. Sagt Hartigan irgendjemandem die Wahrheit, so wird derjenige sterben, droht der Senator.
Die nächsten Jahre verbringt der Ex-Cop im Gefängnis, damit lebend, dass jeder, selbst seine Frau, ihn als angeblichen Vergewaltiger und Mörder verachtet. Das Einzige, was ihm am Leben erhält, sind die wöchentlichen Briefe von Nancy, in denen sie aber nie ihren Namen oder sonstige persönlichen Dinge, die ihre Identität preisgeben könnte, verrät.
Nach acht Jahren stoppen auf einmal die Briefe, und Hartigan findet stattdessen einen abgeschnittenen Zeigefinger in seiner Zelle. Beinahe wahnsinnig vor Angst, dass irgendjemand Nancy als Absender herausgefunden haben könnte, ist er nun bereit, alles zu unterschreiben, nur um aus dem Knast herauszukommen und nach Nancy zu suchen.
Dabei wird er von einem geheimnisvollen Mann verfolgt, der ihn bereits einmal im Gefängnis besucht und niedergeschlagen hatte. Seine Merkmale: ein bestialischer Gestank und eine merkwürdige, leuchtend gelbe Hautfarbe…

Ja, richtig gelesen, in diesem Band wird Sin City zum ersten Mal farbig – allerdings nur gelb, und auch nur, wenn besagter Fiesling auftaucht. Ein interessanter Effekt, der die Fremdartigkeit des „feigen Bastards“ in der schwarzweißen Welt noch verstärkt (“yellow“ steht nicht nur für „gelb“, sondern auch für „feige“).

Sin City 4 zeigt, dass das Ganze mal wieder mehr ist als die Summe seiner Teile. Denn eigentlich gibt es so einiges zu bemeckern: Frank Miller unterlaufen zeichnerische Schnitzer. Wenn man einen vergrößerten Frauenkopf auf einen Körper mit Kinderklamotten propft, so sieht das Ergebnis nicht wirklich überzeugend aus wie ein elfjähriges Mädchen.
Hartigan würde man sicher nicht auf Ende fünfzig bzw. später Mitte sechzig schätzen. 
Manche Perspektiven sind grandios, andere eine Katastrophe, denn die Körper wirken deformiert. 
Aufgepumpte Ballons und Haare, die aussehen wie das Fell einer elektrisch aufgeladenen Katze, machen noch keinen schönen Frauenkörper.
Auch um die Logik scheint sich Miller an manchen Stellen nicht allzu sehr zu kümmern.

Und trotzdem: Dieser feige Bastard ist ein unter die Haut gehender Thriller, der mitreißt und den man sicherlich trotz seines Umfangs (er hat deutlich mehr Seiten als jeweils die ersten drei Bände) in einem Rutsch durchlesen wird. Die Thematik – ein ehrenhafter Mann alleine gegen das Böse – kommt einem zwar schon recht bekannt vor bei Sin City, trotzdem ist der Comic spannend genug, dass er durchaus seine Daseinsberechtigung hat in dieser Stadt. Durch seine straffe Erzählung ist er momentan mein Lieblingsband der Reihe. Und die wiederkehrenden Nebenfiguren sind das i-Tüpfelchen. Eine farbige Covergalerie und vier Pin Ups runden Band 4 ab. fp

Rezension von Benjamin:

Wenn die Geschichte von John Hartigan, herzkranker und kurz vor der Pensionierung stehender Cop, im vierten Band erzählt wird, findet man schnell heraus, dass dessen Schöpfer Frank Miller eigentlich nur seine vorhergehenden Werke kopiert. Ein ehrenhafter Einzelkämpfer mitten in der korrupten, sündigen Metropole.
Spätesten seit Dwight und Marv ist das keine sehr neue Idee. Der unbedingte Wille, der unbändige Antrieb aus Liebe zu einer gutaussenden Frau, eine wie die „süße kleine Nancy Callahan“, wie Miller selbst in Hartigans Story nicht müde wird zu betonen.
Auch dieses Vorbild wurde mit Ava und Goldie in den ersten beiden Bänden verbraten. Und Hartigan selbst erinnert als Gesetzeshüter mit eigener Moralvorstellung und der Nix-zu-verlieren-Einstellung nicht von ungefähr an den alternden Batman aus Millers DC-Klassiker „The Dark Knight returns“.

Lustlose Wiederholung? Langweilig für den Leser? Nicht bei der brillanten Serie Sin City. „Dieser feige Bastard“, so der Name des vierten deutschen Hardcovers von Cross Cult, ist ein dickes Machwerk (wesentlich länger als die vorherigen Stories), das man ab einem gewissen Punkt einfach in einem Rutsch zu Ende lesen muss. Man kann nicht anders. Durch Monolog-Boxen staut Miller die Handlung, die er dann immer wieder durch stumme ganzseitige Splashpages gekonnt und imposant zu unterbrechen vermag.

Das, was Hartigan durchmacht, die acht Jahre im Gefängnis, in das er nur aufgrund Senator Roarks Lügen und Einfluss kam und das er auch nur wegen genau diesem überhaupt noch erleben „durfte“. Roark will Rache für seinen Sohn, er will Hartigan leiden sehen. Doch da ist er nicht der Einzige, denn Roark Junior ist längst nicht am Ende. Und er hat es zum zweiten Mal auf die süße kleine Nancy Callahan abgesehen.

Nur noch das überleben, die letzte Mission, noch einmal das kaputte Herz ignorieren, dann kann Hartigan sterben. Junior endgültig zur Strecke bringen, den gelben Bastard leiden lassen.

„Dieser feige Bastard“ ist Sin City auf die Spitze getrieben. Obwohl aus bereits bekannten Stereotypen bestehend, ist dieser Band im Gesamtbild unheimlich innovativ geraten. Und das nicht nur, weil zum ersten mal Farbe vorkommt (eine, genau gesagt).

Altbekanntes Konzept, noch länger, noch mitfühlender, überraschender und spannender.

Die Geschichte endet mit einem Knall, der Leser schluckt, klappt seine perfekte, fette Hardcoverausgabe zu und legt sie voller Ehrfurcht zur Seite.

Ein großer Klassiker. bv

Frank Miller’s Sin City 4: Dieser feige Bastard
Cross Cult
2005, 240 Seiten, Hardcover; 24,80 Euro
ISBN 3936480141

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