Rezensionen

James Joyce – Porträt eines Dubliners

Cover James JoyceHeilige Grammatik der Comics! Comics müssen heutzutage einfach einen Mehrwert haben. Stets müssen sie sich die Frage gefallen lassen, weshalb sie Comics sind und nicht als Buch auf die Welt gekommen sind. Und wehe dem Comic, der in Worten erklärt, was bereits im Bild zu erkennen ist.

Deshalb müssen zumindest visuelle Kriterien erfüllt werden, und nicht selten greift man dazu in die Trickkiste der Kindercomics und der Witzzeichner, denn dort werden seit jeher die Codes vordefiniert, die Comic und Graphic Novel so unvergleichlich comichaft wirken lassen: Wut erkennt man ohne Worte an der schwarzen Wolke, Delirium am Wirbel überm Kopf. Wird einem Lausbub der Hosenboden strammgezogen, sieht man an entsprechender Stelle Sterne; und Verliebtheit wird in aller Regel mit umherfliegenden Herzchen gezeigt.

Seite aus James JoyceAlfonso Zapico gibt sich in seinem prallen biografischen Comicbuch über James Joyce alle Mühe, die Darstellung wie einen Comic wirken zu lassen: Die Bilder sind realistisch, aber trotzdem zur klaren Linie stilisiert, die Figuren mit wenigen Linien entworfen und trotzdem charaktervoll in ihrer Mimik. Emotionen werden, wann immer es angebracht ist, mit bereits erwähnten zeichenhaften Verkürzungen dargestellt und auch äußere Indikatoren wie Sonne oder Regen werden trefflich eingesetzt, um Atmosphäre zu erzeugen. Diese Elemente sind aber auch notwendig, denn über weite Strecken ist James Joyce tatsächlich sehr altmodisch geraten.

Ganz konventionell erzählt Zapico das Leben von James Joyce (1882 – 1941) nach – und er ist dabei gründlich. Die dadurch entstehende Konzentration der Ereignisse erfordert aber zwangsläufig erklärende Texte und so erhält man über viele Seiten hinweg eine recht prosaisch nacherzählte Biografie, nur eben illustriert. Das ist solide, aber eben auch sehr, sehr klassisch. Glücklicherweise unterbricht Zapico dieses Schema, wann immer sich eine Gelegenheit ergibt. Gerade in diesen Szenen zeigt sich die erzählerische Versiertheit Zapicos, denn der Wechsel zwischen Faktenvermittlung und oft humorvollen Episoden erfolgt ohne Brüche und wirkt bis ins Detail gut recherchiert. Herrlich beispielsweise sind die Szenen, in der Joyce seine spätere Frau Nora anschmachtet und ihr dabei völlig unverblümt unter die Nase reibt, wie er mit seinem Saufkumpan durch die Bordelle gezogen ist. Und auch die Szene, in der Nora und Joyce in Straßenkleidung am Strand stehen und sie ihm im Stehen einen runterholt, lässt die Figuren bei aller Geilheit unschuldig wirken, dass es eine Freude ist.

Seite aus James JoyceAber ist James Joyce nicht ein viel zu akademischer Gegenstand, als dass man ihm in Form eines Comics gerecht werden könnte? Ich finde nicht – und in Zapicos Comic findet sich eine entsprechende Äußerung Joyces, die ihn ein ganzes Stück von der akademischen Welt entfernt. Auf die Frage eines Interviewers, ob sein letztes, unzugängliches Werk Finnegan’s Wake einen verborgenen Sinn habe, meint Joyce, dass das Buch den Leser eigentlich nur zum Lachen bringen solle und dass er hoffe, die Kritiker wären die nächsten 300 Jahre damit beschäftigt, alle vermeintlichen Rätsel des Buchs zu entschlüsseln. War er vielleicht doch nur ein Scharlatan, der seine Bewunderer mit allerhand Tricks über den Tisch zog? Aber gerade Joyce, der Ironiker, beschrieb die Welt natürlich aus einem ganz speziellen Blickwinkel, und dieser ist, unabhängig aller Rätsel, die Joyce der Welt hinterließ, von grenzüberschreitender Faszination.

 

Wertung: 8 von 10 Punkten

Überzeugende Mischung aus Fakten und Anekdoten. Altmodisch im besten Sinne und wunderschön gemacht.

James Joyce – Porträt eines Dubliners
Egmont Graphic Novel, Mai 2014
Text und Zeichnungen: Alfonso Zapico
Übersetzung: Sibylle Schellheimer
232 Seiten, schwarz-weiß, Softcover
Preis: 19,99€
ISBN-13: 978-3770455065Titel: 
Leseprobe

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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Egmont Graphic Novel