Germain Maltret hatte zuletzt keine sonderlich innige Beziehung zu seiner Mutter. So zeigt er sich von der Nachricht über deren Tod auch nicht besonders berührt. Als er sich jedoch zur Beerdigung einfindet, bemerkt er einen stillen Beobachter, der haargenau so aussieht wie er selbst. Einquartiert in einer nahgelegenen Pension kümmert sich Germain in der Folge um den Nachlass der Mutter, worunter auch ein etwas verkommenes Gutshaus fällt.
Dieses soll später noch von zentraler Bedeutung sein, ebenso wie zwei Personen, die Germain vor Ort kennenlernt: zum einen eine junge Frau, die ihm wie zufällig mehrmals über den Weg läuft und eine besondere Verbindung zu ihm zu besitzen scheint; zum anderen ein geheimnisvoller Mann, der früher als Medium gearbeitet hat. Zusammen versuchen die drei hinter das Rätsel von Germains Doppelgängern zu kommen und befördern dabei so manches Vergangene zutage, das besser verborgen geblieben wäre.
Doppelgänger ist eine zweiteilige Geschichte von Eric Corbeyran (Schmetterlingsnetzwerk, Metronom, Die Opalverschwörung) und Christophe Bec (Heiligtum, Prometheus, Bunker), die von Splitter komplett in einem Band veröffentlicht wurde. Die beiden Stammkünstler des Verlages kollaborierten hierbei für einen Mysterythriller, der insgesamt doch ziemlich enttäuscht.
Die durchaus spannende Grundidee, die Frage nach der Identität des Doppelgängers, verkommt sehr schnell zu einem uninspiriertem Schauermärchen mit langweiligen und unausgegorenen Figuren. Dabei bleibt Germain als Hauptprotagonist reichlich blass, obwohl der Autor bemüht ist, dessen psychische Verfassung und emotionales Innenleben darzustellen; das Gleiche gilt für Victor, das Medium mit dem entstellten Gesicht. Wie sich der Leser denken kann, haben dessen äußerliche Narben mit einem Geheimnis aus seiner Vergangenheit zu tun. Aber auch diese Enthüllung lässt einen kalt. Zu konstruiert ist das Aufeinandertreffen des im Mittelpunkt stehenden Trios. Zu durchschaubar dessen Ermittlungen in Sachen übernatürlicher Phänomene.
Hinzu kommt, dass Christophe Bec, eigentlich ein Garant für solide Genrekost, mit Doppelgänger als Zeichner eine seiner schwächeren Arbeiten abliefert. Das mag auch daran liegen, dass er sich zuoberst im dezidierten Fantasy- bzw. Science-Fiction-Bereich verdingt, es im vorliegenden Fall auf grafischer Ebene jedoch mit einem bodenständigen Titel zu tun hatte. In einer düsteren Untersee- oder Weltraumwelt kann man kleine zeichnerische Unsicherheiten eher übersehen als bei der realistischen Inszenierung einer Cabriofahrt durchs sonnige Frankreich.
Letztlich liegt die große Enttäuschung aber nicht im Zeichenstil begründet, sondern am wenig packenden Plot und den langweiligen Auflösungen. Und dies ist für einen Mysterycomic denkbar ungünstig.
Wertung:
Uninspiriertes Gruselstück; aus dieser Idee hätte man deutlich mehr herausholen können
Doppelgänger
Splitter Verlag, August 2014
Text: Eric Corbreyan
Zeichnungen: Christophe Bec
Übersetzung: Swantje Baumgart
96 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 19,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-745-2
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag