Nachdem Band 1 und 2 der Indie-Krimiserie um einen mit ganz speziellen Geschmacksfähigkeiten „gesegneten“ Sonderermittler der US-Lebensmittelaufsicht FDA so rundum überzeugen konnten, machten sich vor Band 3 leichte Zweifel beim Rezensenten bemerkbar. Würde Autor John Layman das hohe Erzählniveau halten können, das er für die ersten Folgen etabliert hatte? Würde die Geschichte nach dem (gefühlten) vorläufigen Höhepunkt auf der Südseeinsel Yamapalü in Band 2 merklich an Fahrt verlieren? Könnte bereits der Zeitpunkt erreicht sein, an dem das Konzept langweilig wird?
Erfreulicherweise kann man all diese Befürchtungen nach der Lektüre von „Eiskalt Serviert“ verneinen. Layman kredenzt den Lesern nach wie vor eine extrem dicht geschriebene, mit punktgenauen Dialogen versehene Geschichte voller skurriler Einfälle und cleveren Erzählschlenkern. Im Vergleich zum Vorgängerband mag das Tempo tatsächlich etwas gedrosselt sein, aber dies kommt der Story zu diesem Zeitpunkt nur zu Gute. Hat man so doch die Chance, all die geschickt platzierten, liebevollen Details und optischen Gags, die makaberen Slapstick-Elemente und die originell gezeichneten Figuren aufzunehmen und zu bewundern, wie geschickt und unterhaltsam der Autor die Ermittlungsarbeit seines Protagonisten Tony Chu mit dessen Privatleben und der großen Verschwörungsstoryline im Hintergrund verbindet.
Layman scheint dabei genau zu wissen, was er tut: Immer wieder werden Geschehnisse und Figuren aus den ersten beiden Bänden aufgegriffen, und die Geschichte um eine vorgebliche Lebensmittelkrise mit zig Todesopfern, die daraus erfolgte Hühnchenprohibition, ein finsteres Komplott und eventuell sogar Außerirdische(?) wächst und gedeiht derart, dass es eine Freude ist. Hier werden ein dekadenter Feinschmeckerclub, ein gruseliger Kampfhahn auf Amok, eine angenehm positiv beschriebene Beziehung zwischen Tony Chu und der unorthodoxen Essenskritikerin Amelia Mintz sowie ein tiefer Einblick in Tonys interessante Familienverhältnisse geboten, während nebenbei der mysteriöse Hauptplot Stück für Stück weitergetrieben wird. Und der doppelte Cliffhanger am Ende tut ein Übriges, um Appetit auf den nachfolgenden Band zu machen.
Bei all der Lobhudelei darf der Beitrag von Zeichner Rob Guillory keineswegs unter den Tisch fallen. Der Mann zeichnet, tuscht und koloriert das Ganze im Alleingang auf einem fortlaufend derart hohen Niveau, dass so mancher Künstlerkollege neidisch werden könnte. Zudem sind laut des im Anhang untergebrachten Interviews mit Guillory die meisten der witzigen „Ostereier“-Gimmicks im Hintergrund vieler Panels ihm anzurechnen. In seiner Detailverliebtheit und Professionalität ist der Zeichner also das perfekte Gegenstück zu Autor Layman. Für die noch geplanten neun Bände (bzw. 45 US-Hefte) dieses Kreativteams darf man ganz zu Recht eine äußerst hohe Erwartungshaltung einnehmen.
Wertung:
Kulinarisch-bizarrer Krimicomic auf weiterhin extrem hohem Niveau
Chew – Bulle mit Biss 3: Eiskalt Serviert
Cross Cult, Dezember 2011
Text: John Layman
Zeichnungen: Rob Guillory
128 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 16,80 Euro
ISBN: 978-3-942649-20-9
Abbildungen © John Layman/Rob Guillory, der dt. Ausgabe: Cross Cult
Disclosure/Klarstellung: Die deutsche Ausgabe von Chew 3 wurde von den Comicgate-Redakteuren Marc-Oliver Frisch und Frauke Pfeiffer übersetzt bzw. lektoriert.