Sprinten, Joggen und Gehen sind anerkannte Fortbewegungsarten. Ein Stolpern wird als motorische Disfunktion wahrgenommen. Bei Erzählungen sieht das ähnlich aus: Egal wie schnell die Geschichte voranschreitet, jede Unterbrechung des gleichmäßigen Erzählflusses verwundert den Leser. In Als ich mal auf hoher See verschollen war erzeugt Maximilian Hillerzeder ein ständiges Moment des Strauchelns und Stolperns. Dadurch bewegt sich der Comic aber wesentlich interessanter fort als der Rest seiner Zunft.
Von Bewegung kann allerdings auf den ersten Seiten des Comics noch nicht die Rede sein. Ein Mann sitzt allein auf einem Floss, auf hoher See und ward verschollen. Dort sitzt er nun, steht jeden Tag um 6.30 Uhr auf – um seine Routine beizubehalten – und backt Pizza aus Wasser für seine Fischfreunde. Wohin die Handlung führt, ist dem Leser unklar. Aber der Held ist ja auch verschollen.
Der Titel des Comics und die ersten Seiten stimmen auf Schneckentempo ein, als plötzlich der Sturm hereinbricht und der Held vom Mexikaner und seiner Crew aus dem Waser gefischt wird. Ab diesem Punkt beginnt Hillerzeder feinstes Seemannsgarn zu spinnen.
Der Künstler schubst seinen Helden von einer grotesken Situation in die nächste: kotzende Seemonster, Pferde aus Erde, kaffeetrinkende Geister und fliegende Köpfe, die ihren eigenen Imbiss betreiben. Sein Held reagiert unbeeindruckt. Die Mischung aus Fantasy, Science Fiction, Zitaten aus der Popkultur, Metafiktion und Blödelei sorgt für eine erfrischend unvorhersehbare Erzählung.
Dieser ungewöhnliche Erzählrhythmus ist der Veröffentlichung als Webcomic geschuldet. Folge für Folge hat Hillerzeder Als ich mal auf hoher See verschollen war auf Hillerkillers Zeugblog veröffentlicht. Immer wieder bricht der Alltag in seine Geschichte. Das Leben ist aber keine Ablenkung von der erzählten Geschichte, sondern Teil von ihr.
Gerade weil Hillerzeder sich nicht mit einer Geschwindigkeit zufrieden gibt, gerade weil er so fabelhaft fabuliert, beschreibt der Comic die Realität, die ihn umgibt, so treffend. All diese wirren Ideen und grotesken Einfälle machen den Comic zu einem echten Abenteuer, bei dem man nicht genau weiß, was wohl als nächstes kommen wird.
Wie der Großmeister des Stolperns und Strauchelns Douglas Adams (Per Anhalter durch die Galaxis) lässt Hillerkiller seinen Helden auf den Boden fallen … aber daneben. Das Resultat ist ein wunderbar leichter Comic, der fliegt, ohne sich Gedanken darüber zu machen, warum er das eigentlich tut.
Wertung:
Feinst fabuliertes Seemannsgarn!
Titel: Als ich mal auf hoher See verschollen war
Verlag: Edition Kwimbi, Juni 2014
Text und Zeichnungen: Maximilian Hillerzeder
60 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 12 Euro
Signiert erhältlich bei Kwimbi
Abbildungen © Maximilian Hillerzeder/Kwimbi
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