Autor: Daniel Wüllner

Vier Augen

 Auf einer Podiumsdiskussion vor einigen Wochen im Münchener Literaturhaus wurde zum x-ten Mal über das Für und Wider des Prädikats „Graphic Novel“ und seiner Stellung auf dem Buchmarkt gesprochen. Ein nicht uninteressanter Vorschlag kam dabei von Armin Abmeier, dem Herausgeber von Die Tollen Hefte: Man könnte doch anspruchsvolle Comics wie Romane behandeln und sie in die jeweilige Genre-Kategorie in der Buchhandlung einordnen, um so Vorurteile gegenüber dem Comic zu überbrücken. Ein Comic mit dem Aufkleber „Graphic Novel“, der diesen Weg hier exemplarisch gehen soll, ist Sascha Hommers neuer Comic Vier Augen aus dem Hause Reprodukt.

Die großen Künstler des Comics

 Ein Buch über Comics zu verfassen, ist ein genauso großer Drahtseilakt wie die Adaption einer literarischen Vorlage für die große Leinwand. Ständig wird man zwischen künstlerischer Eigenständigkeit und Werktreue balancieren müssen, um sich selbst, dem Publikum und dem Markt gerecht zu werden. Obwohl die perfekte Besänftigung all dieser Gruppen einem Wunschtraum gleichkommt, hat sich Comicredakteur Klaus Schikowski mit Die großen Künstler des Comics (im Edel Verlag erschienen) einer solchen Aufgabe gestellt. Als Gegenstand und auch als Unterstützung für das Projekt hat sich Schikowski 34 große Comic-Künstler von Rudolph Dirks bis hin zu Marjane Satrapi mit aufs Drahtseil geholt.

Das kleine Rockbuch

 Das neue Jahrhundert hat seine erste Dekade fast verbraucht und schon zeichnen sich zwei Trends ab: Zum einen befinden wir uns im Zeitalter der konstanten Beschleunigung, in dem Informationen immer schneller durch unsere Computer gejagt werden. Zum anderen erzeugt diese wahnwitzige Geschwindigkeit einen unstillbaren Durst nach immer mehr Informationen. Jede Minute trudelt eine neue Eilmeldung per RSS-Feed herein, die wir auf keinen Fall verpassen dürfen; jede Sekunde zwitschert man seinen Followers eine Nachricht zu und stillt doch nur kurz die Gier nach Neuem. Nur manchmal gelingt es, einen Moment inne zuhalten, zurückzublicken und zu genießen. 

100 Meisterwerke der Weltliteratur

 Vor mehr als acht Jahren hatten die Macher des „ältesten und innovativsten Comic(umsonst)magazins im deutschsprachigen Raum“, die Männer von Moga Mobo, die grandiose und doch so simple Idee, nicht nur ein Meisterwerk der Weltliteratur, sondern gleich hundert davon als Comic zu adaptieren. Zu bewerkstelligen war dieses ambitionierte Vorhaben mit dem mehr als treffenden Titel 100 Meisterwerke der Weltliteratur nur, indem man sich Grenzen setzte. Die Regeln für die hundert Künstler waren klar: Jede Adaption durfte nur 8 Panels haben und Worte waren nicht erlaubt. Und die vorwiegend deutschen Comic-Künstler kamen in Scharen. Die Erfolgsgeschichte wurde schließlich 2002 durch den Max-und-Moritz-Preis gekrönt. Nun hat sich das Trio mit dem Ehapa Verlag zusammengesetzt und eine Neuauflage des Klassikers der Klassiker ausgearbeitet.

Jazam! 4 – Monster

 Ein knallgrünes Monster mit knubbligen Hörnchen auf dem Kopf und einem großen Löffel in der Hand. So putzig sieht die neue Jazam!-Ausgabe aus, doch sollte man sich nicht von Daniela Uhligs süßem Cover in die Irre führen lassen. Der vierte Band der Künstlergemeinschaft Jazam! lädt diesmal in die Welt der Monster ein und droht dabei aus allen Nähten zu platzen. Die 354 Seiten sind randvoll mit Monstern, die sich in Klos verstecken, durch U-Bahn-Schächte kriechen, unter Betten hausen, in Schränken wohnen, im Tiefgrass lauern, in Bussen reisen, auf Friedhöfen wiedererweckt werden und solche die einfach mal die in der Hölle einen Spazierengehen machen. Das sind sehr viele Monster, das ist unbestritten, doch wie kann eine solch monströse Reizüberflutung überhaupt vom Leser verarbeitet werden?

Ingenieur der Träume

 Seit mehr als einem Jahr nun färben sich die Träume von deutschen Comicwissenschaftlern in sattem Gelb, denn im Januar 2008 gründete der wissenschaftliche Mitarbeiter der Ruhr-Universität Bochum, Christian A. Bachmann, seinen gleichnamigen Verlag. Bachmann setzt dabei mit seiner gelben Reihe „yellow: Schriften zur Comicforschung“ genau auf die Nische, die bisher von der deutschen Verlagsgemeinde vernachlässigt wurde, auf die Comic-Wissenschaft. Das Gelb, so Bachmann im Vorwort zum ersten Band der Reihe, soll an den gelben Schlafrock von Mickey Dugan erinnern, aus Outcaults cartoon strip The Yellow Kid, der für viele Wissenschaftler die Geburtsstunde des Comics markiert. Der zweite Band Ingenieur der Träume – Medienreflexive Komik bei Marc-Antoine Mathieu von Dr. Rolf Lohse ist nun in der zweiten Auflage erschienen.

Vom Irrsinn des Lebens

 In seinem vierzigsten Film Whatever Works erzählt Woody Allen die Geschichte eines alternden Griesgrams, der ein deutlich jüngeres Mädchen heiratet. Während ein Altersunterschied zwischen den Protagonisten von über vierzig Jahren unter der Regie eines anderen Auteurs zu einer filmischen Tragödie werden würde – man erinnere sich nur an den schrecklichen Film Es begann im September mit Richard Gere und Winona Rider – gelingt es Woody Allen mit seinen Filmen stets zu überzeugen. Auch wenn er ausnahmsweise einmal nicht selbst mitspielt, durchdringen sein Humor, seine Neurosen und seine omnipräsente Existenzangst jeden seiner Filme. Wenn man Allens Filmen die Straßen von New York, Scarlett Johansson und die komplexen Beziehungsgeflechten entziehen würde, könnte man dann eine genuine „Woody Allen“-Formel als Konzentrat extrahieren? Dieser Frage hat sich der Zeichner und Autor Stuart Hample gestellt und zwischen 1976 und 1984 Cartoon Strips mit dem Titel Inside Woody Allen geschrieben und gezeichnet. Die aufwendige Werkschau hat der Knesebeck Verlag nun unter dem Titel Vom Irrsinn des Lebens ins Deutsche übersetzt.

Interview mit Christian Moser

 Für ein Interview traf sich unser Redakteur Daniel Wüllner mit dem Zeichner und Autor Christian Moser, vor allem bekannt als Schöpfer der Monster des Alltags, im Baader Café, einer der wohl entspanntesten Münchner Adressen. Dort unterhielten sich die beiden unter anderem über Monster, Rückenschmerzen, „die Innere Leere“ und Stammgäste.

Strange Tales 1 (US)

Wie wir bereits an anderer Stelle berichtet haben, hat sich Marvel nach langem Hin und Her nun endlich dazu entschlossen, seine heißgeliebten Helden in die Hände von Zeichnern zu geben, die ansonsten nur selten das „House of Ideas“ betreten. Die künstlerischen Ergüsse von den Größen der Independent-Szene wie Paul Pope, Jason, James Kochalka, Peter Bagge oder auch Dash Shaw sind nun in der ersten Ausgabe von Strange Tales zu bewundern, der noch zwei weitere Ausgaben folgen werden (bisher gibt es noch keine Ankündigung für den deutschen Markt). Man darf diesen Comic nicht mit den, für Marvel so typischen, schlechten Kompromissen vergleichen, bei denen Zeichner eine Geschichte vorgesetzt bekommen oder ein ergänzendes „Whaf if …?“ den Plot in eine Parallelwelt zerrt. Die Lektüre von Strange Tales lässt sich am besten folgendermaßen beschreiben: Wer als kleiner Junge über Jahre hinweg eine innige Beziehung zu seinen He-Man-Action-Figuren aufgebaut hat, wird das Gefühl nachvollziehen können. Da hat man alle großen Schlachten gegen Skeletor detailgetreut nachgespielt und plötzlich sind sie alle weg: Men-at-Arms nicht mehr da, Ram-Man verschwunden und auch …

MOME 15

Traurig, besorgt und zugleich erstaunt. So schauen die Augen vom Cover der neuesten Ausgabe von MOME herab. Was im Sommer 2005 als ambitionierter Schaukasten für junge Comic-Künstler im vierteljährlichen Turnus startete, mutiert seit den letzten Ausgaben zu einer Sammlung von einzelnen Comic-Schnipseln. Obwohl die Liste der Künstler neben vielen Unbekannten auch Namen wie Gilbert Shelton (Freakbrothers) und Paul Hornschemeier (Die drei Paradoxien) aufweist, überzeugt die Präsentation des Projekts einfach nicht mehr. Fast alle Geschichten werden ausschließlich in Segmenten veröffentlicht. Was bei DCs Wednesday Comic gerade durch den geringen Preis und die wöchentliche Veröffentlichung funktionieren mag, ist bei Fantagraphics zum Scheitern verurteilt, da der Veröffentlichungsrhythmus einer Qual gleichkommt; vom Preis ganz zu schweigen. Bestes Beispiel ist die schöne schwarz-weiße Erzählung „Steller“ um den gleichnamigen deutschen Biologen von T. Edward Bak. Mittels einer Reihe von Bildern mit geringfügigen Veränderungen erzählt Bak vom Unglück Stellers, der mit seiner Expedition im Nirgendwo verschollen ist. Bak gibt der Geschichte das richtige Tempo und ergänzt sie geschickt durch teils enigmatisch, teils erläuternde Texteinschübe. Auf die Fortsetzung dieser Episode muss man nun …