Nachdem über ein Jahr lang kein Lebenszeichen vom Infinity-Verlag zu vernehmen war, konnte es nur eine Frage der Zeit sein, bis lukrative Lizenzen zu einem anderen deutschen Verlag abwandern würden. Die Rechte an den Titeln des US-Verlages Top Cow gingen an Panini, die ihr Programm damit um eine weitere Sparte ausbauen konnten und nach längerer Abstinenz zuerst einmal neue Comics der Flaggschiffe des US-Labels, Witchblade und The Darkness, weiterführen. Im gleichen Zuge hält für die beiden nahtlos fortgesetzten Reihen das Paperbackformat Einzug, das viele Leser schon viel früher auch von Infinity erwartet, sich zum Teil auch gewünscht haben. Im Gegensatz zur Heftchenpolitik, an der Infinity in weiten Stücken bis zuletzt festhielt, liegt der Vorteil der Veröffentlichung in Sammelbänden klar auf der Hand: Die Geschichten präsentieren sich weniger zerstückelt, d.h. die sonst oft auf mehre Monate verteilten Storylines lassen sich jetzt als runde Sache an einem Stück, ganze Handlungsbögen ohne Unterbrechungen lesen. Das ergibt gerade bei den betroffenen Reihen mehr als Sinn, sind diese doch zumeist auch im Original in Erzählungen zu drei bis fünf US-Heften untergliedert. Ein struktureller Vorteil also, der sich sogleich bei den ersten Bänden von Witchblade und Darkness (diesmal ohne Artikel davor) von Panini bemerkbar macht. Beide Reihen erweisen sich trotz langer, holpriger, oft auch qualitativ zäher Kontinuität recht einsteigerfreundlich, denn passenderweise schlagen sie inhaltlich neue Richtungen ein, die sich in weiten Teilen frei von altem Ballast zeigen.
“Witchblade – Ein neuer Anfang“ knüpft mit den enthaltenen US-Heften 113-118 direkt an die letzte Infinity-Ausgabe an und setzt kurz nach den Ereignissen des Crossovers „First Born“ ein. Sarah Pezzini, Polizistin und bisherige Trägerin der uralten Waffe namens Witchblade, kommt nun vornehmlich ihren Pflichten als frischgebackene Mutter nach und teilt sich aus diesem Grunde die Witchblade mit der jungen Tänzerin Danielle Baptiste. Autor Ron Marz setzt mit dieser Zweiteilung der Serie deutlicher auf die Beziehungsebene als dies zuvor der Fall war; neben der Auflösung von Kriminalfällen und der Bekämpfung von Übernatürlichem, die auch weiterhin den Grundton bilden, steht jetzt auch Familie, Liebe und Freundschaft im Vordergrund. Umgesetzt wird dieser neue Anstrich durch die Zeichner Sami Basri und Stjepan Sejic, deren Herangehensweisen kaum unterschiedlicher sein könnten. Während Ersterer auf klar konturierte, wenig effektreiche Bilder und warme, freundliche Farben setzt, dominiert Sejic seinen Anteil des Bandes mit einem realistischen, expressiven Zeichenstil, dem es durch die kühle Erscheinung aber leider an Dynamik und Detailtreue mangelt. Der Kontrast zwischen beiden ist extrem und sicherlich ist es Geschmackssache, welche Stilart man bevorzugt. Insgesamt bewegen sich Marz, Basri und Sejic auf einem ordentlichen Niveau, verpassen es aber, wirkliche Glanzlichter zu setzen und die Witchblade auf ein anspruchsvolleres Niveau zu heben, als sie die vergangenen Jahre war.
Der perfekte Einstieg für die Reihe um Mafia-Killer Jackie Estacado, der die momentane Inkarnation der Darkness ist, hat sich für Panini hingegen quasi von allein ergeben. Auch wenn man für den Start ab dem US-Volume 3 die ersten beiden Kapitel, die bei Infinity als „The Darkness – Neue Serie“ 25 und 26 bereits einzeln veröffentlicht wurden, nochmals abdrucken musste, ist das in jedem Fall sinnvoll, denn so bietet sich dem Leser der sehr empfehlenswerte Sechsteiler „Imperium“ versammelt und komplett in einem Band. Jackie, der seit Beginn der Serie sich zum Oberhaupt einer Mafiafamilie aufschwingen konnte, bevor er abstürzte und sogar kurzzeitig tot war, verschlägt es darin in ein kleines südamerikanisches Städtchen, wo er den örtlichen Diktator stürzt und die Bevölkerung mithilfe einer neu entwickelten Droge und eines Wissenschaftlers unter Kontrolle hält. Phil Hester erdachte sich für diese neueste Interpretation um die mysteriöse Darkness einige neue Ansätze, von denen der Bartwuchs der Hauptfigur noch diejenige mit der geringsten Tragweite ist. Vielmehr gelingt es Hester, den Kern der Reihe, die Darkness selbst, wieder zum hauptsächlichen Gegenstand zu machen. Spürbar ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel, dass Macht neuartig definiert und im größeren Kontext dargestellt wird, zudem erhält Estacado nun mehr Kenntniss über die Natur der Finsternis, die fieser, betrügerischer und selbstständiger als je zuvor erscheint. Unterlegt durch die rauen, finsteren Bilder von Zeichner Michael Broussard, dessen Stil stark an The Darkness-Miterfinder Marc Silvestri erinnert, ist dieser Neubeginn dann tatsächlich auch weitaus sehenswerter wie die Versucher einiger Autoren/Zeichner zuvor; auch das ist ein Grund, weshalb man das Gefühl hat, dass die Serie zu alter Stärke zurückgekehrt ist.
Witchblade 1 – Ein neuer Anfang
Panini, Juli 2009
Text: Ron Marz
Zeichnungen: Sami Basri, Stjepan Sejic
148 Seiten, farbig, SC; 16,95 Euro
Darkness 1 – Verflucht
Panini, August 2009
Text: Phil Hester
Zeichnungen: Michael Broussard
148 Seiten, farbig, SC; 16,95 Euro
Guter Einstiegspunkt für neue Leser, Stammleser dürften sich über eine gelungene Wiederbelebung der langjährigen Serien freuen
Witchblade 1 – Ein neuer Anfang:
Darkness 1 – Verflucht: