Rezensionen

Scarface

Cover ScarfaceChristian de Metter hat ja mit Romanbearbeitungen schon einige Erfahrungen sammeln können. So setzte er bereits Shutter Island und Swinging London in Bilder um. Mit Scarface nimmt er sich nun eines Klassikers des Gangsterromans an, der schon sehr bald nach seinem Erscheinen in den 1920ern sehr einflussreich geworden ist.

Der Roman von Armitage Trail kann als eines der ersten Beispiele gelten, in dem das Leben, der Aufstieg und der Fall eines Gangsters geschildert werden. Schon in den 1930ern wurde das Buch von Howard Hawks verfilmt und prägte ein ganzes Genre. Dabei lag dem Roman ein reeller Gangster als Vorlage zugrunde. Gemeinhin war „Scarface“ nämlich der Spitzname von Al Capone. Da dieser aber zum Zeitpunkt des Erscheinens noch auf dem Höhepunkt seiner Macht war, konnte Trail ihn im Roman wohl kaum namentlich nennen, machte aber allein schon durch die Titelgebung deutlich, dass er sich auf zeitgenössische Umstände bezieht.

Tony Guarino ist ein kleiner italienischer Einwanderer, der auf die schiefe Bahn gerät. Sein Bruder, ein Polizist, versucht vergeblich, ihn davon abzuhalten. Doch mit Skrupellosigkeit und Verstand wird er zu einem mächtigen Gangsterboss. Nach einem dreisten Mord muss er allerdings nach Europa fliehen, wo er schon bald an die Front des Ersten Weltkrieges eingezogen wird. Im Gesicht verwundet, stellt er fest, dass ihn zu Hause die meisten nicht mehr erkennen, und nennt sich fortan Tony Camonte. Ohne die Hindernisse seiner Vorgeschichte baut er sich ein Imperium des Verbrechens auf. Allerdings kann er die Vergangenheit doch nicht so sehr abschütteln, wie er es gerne wollte.

Seite aus ScarfaceNormalerweise ist es sofort zu erkennen, wenn Comics auf einer Romanvoralge basieren. Vor allem inhaltliche Brüche und logische Lücken sind Signale dafür, dass bei einer Adaption Auslassungen vorgenommen wurden, welche den Raum des Comicformats gesprengt hätten. Glücklicherweise ist das hier nicht der Fall. Zwar ist der Anfang noch etwas holprig und läuft nicht sonderlich flüssig ab, aber wenn der Comic erst mal Fahrt aufgenommen hat, ist er kaum noch zu bremsen. Scarface wirkt mit seiner festen Struktur und seiner generellen Sicherheit wie ein Originalstoff.

Actionreich und spannend wird der Aufstieg und Fall eines Gangsters geschildert. Das hat man mittlerweile zwar schon x-fach gelesen und gesehen, ist aber nichtsdestoweniger immer spannend. Das liegt nicht nur an den sozialen und historischen Umständen der jeweiligen Verbrecherkarriere, an der Action und der Moral, sondern, wenn es gut geht, an den psychologischen Dimensionen. Warum wurde jemand zum Gangster? Welche psychischen Dispositionen muss man dafür mitbringen? Und Scarface kann hier punkten. Denn ausgerechnet der Niedergang der Hauptfigur ist psychologisch bedingt. Denn, so viel sei hier verraten, der skrupellose Mörder, der seine Gegner auch foltern lässt, geht an seinem Mitleid zugrunde. Was das Monster menschlicher macht, tötet ihn und zeigt damit erst recht auf, wie verdorben eine kriminelle Laufbahn ist. Denn man hat sich in dieser „Karriere“ komplett von allem Menschlichen entfernt. Leider wird das dramaturgische Potential, das zu diesem Ende führt, nicht vorher schon groß eingebaut.

Auch graphisch kann der Band zum größten Teil überzeugen. Die Zeichnungen geben perfekt das Noir-Feeling wieder und insbesondere die Farbgebung kann überzeugen. Denn selbst in den vielen Nachtszenen sind die Farbabstufungen sehr gelungen und vermögen diverse Blau-und-Schwarz-Schattierungen einzuarbeiten. Aber auch der genretypische und -prägende Gebrauch von Licht und Schatten ist kongenial umgesetzt und psychologisiert obendrein die Figuren in ihrer jeweiligen Situation. Einige sehr gute visuelle Effekte, wie etwa die Kugel in Zeitlupe, geben dem Ganzen noch das I-Tüpfelchen für eine wirklich gelungene Adaption.

 

Wertung: 8 von 10 Punkten

Wirklich gelungene Romanadaption, die mit Spannung, Atmosphäre, hervorragender Farbgebung und guten Einfällen punktet.

 

Scarface
Schreiber & Leser noir, Juli 2012
Text: Christian de Metter, nach Armitage Trail
Zeichnungen: Christian de Metter
Übersetzung: Resel Rebiersch
106 Seiten, schwarz-weiß, Hardcover
Preis: 21,80

ISBN: 978-3-941239-91-3
Leseprobe

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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Schreiber & Leser