RG ist die Abkürzung für „Renseignements Généraux“, welche die geheimdienstliche Abteilung der Nationalen Polizei Frankreichs ist. Sie ist direkt dem Innenministerium unterstellt. Auch wenn ihre Aufgaben bis 2008, als sie mit einer anderen Abteilung verschmolzen wurde, vorrangig darin bestanden, Informationen zu sammeln und das Ministerium direkt zu informieren, scheinen ihre Mitgleider doch auch generelle Polizeiarbeit erledigt zu haben. Zu ihren Aufgaben zählte Terrorismusbekämpfung ebenso wie Undercoverermittlungen. Das legt jedenfalls dieser Comicband nahe. Die Reihe RG, deren zweiter Band nun vorliegt, ist eine Mischung aus Fiktion und Reportage.
Im neuen Fall gerät der Polizist Pierre Dragon durch einen Tipp auf die Spur von thailändischen Schleusern, die Illegale nach Frankreich bringen, um diese als billige Lohnsklaven auszunutzen oder zur Prostitution zu zwingen. Nach dem anfänglichen Tipp sammeln Pierre und sein Kollege Cyril erste Informationen. Als ihnen klar wird, dass etwas an der Sache dran ist, wird die Ermittlung offiziell und die Überwachung der Bande beginnt. Im Laufe der Zeit kommt Pierre einer Ermittlungsrichterin näher, was so seine Probleme mit sich bringt. Aber irgendetwas stimmt nicht mit dem Kollegen und Freund Cyril. Drohen die Ermittlungen zu scheitern?
Der Fall ist fiktional, die Methoden nicht. Dass der Autor denselben Namen wie der Protagonist hat, ist natürlich nicht zufällig. Pierre Dragon ist (unter einem anderen Namen) tatsächlich Polizist in der RG und nutzt sein Wissen, um zusammen mit dem preisgekrönten Frederik Peeters (Blaue Pillen) eine Krimiserie zu schreiben (hier unsere Rezension des ersten Bandes). Die Geschichten basieren auf realen Fällen und Personen, auch wenn die erzählte Handlung und die auftretenden Figuren fiktional sind. Dass alles kombiniert ergibt eine sehr realistische, wenngleich nicht unbedingt spektakuläre Handschrift. Es gibt kaum Action, keine großen Schießereien. Die Graphic Novel entzieht sich allem Größer, Schneller, Spektakulärer und holt den Krimi auf den Boden der Realität zurück.
Und es hat seinen Reiz, die Polizeiarbeit quasi aus erster Hand mitzuerleben. Man sieht die enervierend langen Observationen, den Papierkram, die Rivalitäten und den aufreibenden Kampf gegen das Verbrechen, welcher auch Psyche und Privatleben der Ermittler zerstört. Zudem führt die Realitätsnähe auch dazu, über sein eigenes Verhalten nachzudenken, denn es geht hier um billige Textilien und wozu der Konsumrausch mit „Geiz ist Geil“ und Markenwahn führen kann.
Auffällig ist, wie nah Peeters‘ Zeichnungen an die Gesichter der Figuren herangehen. Das vermittelt dem Leser eine unmittelbare Nähe, als ob er direkt neben den Polizisten im Auto sitzen würde. Die optische Nähe schafft geschickt eine psychische und sorgt dafür, dass man in die Handlung gesogen wird. Viele Perspektivwechsel und „Schnitte“ sorgen für große Dynamik. Auch die Farben schaffen eine hervorragende Stimmung, insbesondere bei der Liebesszene, die fast nur in Rot getaucht ist. Auch hier gibt es nur Ausschnitte von Körpern zu sehen, es entsteht der Eindruck, direkt mit den Figuren im Bett zu liegen.
Wer meint, eine realistische Serie sei nicht spektakulär genug, täuscht sich. Nur wenige Krimis sind intensiver erzählt und vermögen den Leser ähnlich zu fesseln. Mit Frederik Peeters, dessen erstaunliche Graphic Novel Blaue Pillen schon mit ungeheurer Intimität zu beeindrucken wusste, ist hier ist wirklich ein Meister am Werke.
Wertung:
Ein unspektakulärer, aber realistischer Krimi, der mit seiner intensiven Intimität völlig überzeugt.
RG – Verdeckter Einsatz in Paris 2: Bangkog – Belleville
Carlsen Verlag, Februar 2011
Text: Pierre Dragon / Frederik Peeters
Zeichnungen: Frederik Peeters
112 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 16,90 Euro
ISBN: 978-3-551-77809-3
Euro: 16,90
Abbildungen (aus der frz. Ausgabe): © Gallimard