Rezensionen

RG 1: Riad an der Seine

 Der Autor dieses Comics, Pierre Dragon, heißt in Wirklichkeit ganz anders. Hauptberuflich arbeitet er nämlich beim Nachrichtendienst der französischen Polizei, den „Renseignements Généraux“, kurz RG. Ein echter Geheimagent also. Dieser lernte 2006 (im Zusammenhang mit dem Konflikt um die Mohammed-Karikaturen) Joann Sfar kennen, den französischen Hansdampf in allen Comic-Gassen. Sfar war fasziniert von den Geschichten, die ihm Dragon aus seinem Arbeitsleben erzählte und brachte ihn mit dem Schweizer Zeichner Frederik Peeters (Blaue Pillen) zusammen. Wenig später erschien dann der erste Band von RG bei Bayou, der von Sfar betreuten Comic-Edition im Verlag Gallimard.

Hauptaufgabe der RG ist die Bekämpfung und Beobachtung terroristischer Aktivitäten. Das ist nicht immer so aufregend, wie es klingt. Ein großer Teil der Arbeit besteht in langwierigen und -weiligen Observierungen oder in mühsamen diplomatischen Verhandlungen mit Vertretern der amerikanischen Botschaft. Nur gelegentlich kommt es dann doch mal zu einer klassischen Verfolgungsjagd durch die Straßen von Paris. Der Comic schildert die Geheimdienst-Aktivitäten unaufgeregt und betont realistisch. Hinter der Polizeiarbeit stecken echte Menschen mit echten, teils sehr alltäglichen Problemen.

 Ausgangspunkt von „Riad an der Seine“ ist die Observierung einer Boutique, mit der Dragon und zwei weitere Kollegen beauftragt werden. Wie sich herausstellt, wird hier Schmuggelware umgesetzt, die Drahtzieher könnten in Verbindung zu ranghohen Islamisten stehen. Dragon und Kollegen finden jedoch bald mehr heraus, als der Obrigkeit lieb sein kann, und ehe die Angelegenheit so richtig spannend werden kann, wird ihnen der Fall entzogen: Eine andere Einheit sei nun zuständig. Das Buch endet also ähnlich unspektakulär wie es vermutlich die meisten realen Fälle tun.

In RG (deutscher Untertitel: Verdeckter Einsatz in Paris) spielt der Autor selbst die Hauptrolle, und er stellt sich nicht als strahlenden Hochglanzhelden dar. Das Verhältnis zu seiner Ex-Frau und ihrer gemeinsamen Tochter ist nicht das beste, und auch sonst läuft nicht alles glatt für ihn. Er stellt sein Licht aber auch nicht unter den Scheffel. Er ist ganz klar der Held der Geschichte und lässt deutlich durchblicken, dass er davon überzeugt ist, seine Arbeit sehr gut zu machen.

Frederik Peeters hat nicht nur durch seine Zeichnungen einen gehörigen Anteil daran, wie der Comic erzählt ist. Er bekam von Dragon kein fertig ausgearbeitetes Szenario, sondern musste aus den Geschichten, die er von ihm erzählt bekam, selbst eine Dramaturgie und einen Spannungsbogen entwickeln. Das ist ihm sehr gut gelungen – RG bleibt zwar episodenhaft, ergibt aber am Ende eine runde, in sich abgeschlossene Erzählung.

 Den besonderen Touch bekommt der Comic schließlich durch Peeters' Zeichnungen, durch die die Erzählung stets angenehm „down to earth“ bleibt. Er strebt keine hyperrealistische Perfektion an, es darf gerne auch mal etwas skizzenhaft bleiben. Dabei besitzen seine Bilder eine große Wärme, die durch die atmosphärische, niemals zu grelle Kolorierung noch unterstützt wird. Das Seitenlayout bleibt betont ruhig – RG will eben kein actiongeladener Spionagethriller sein, Besonderen Charme haben die kleinen, gelegentlich eingestreuten surrealen Momente, etwa wenn Peeters die Hauptfigur für ein Panel kurz zum kleinen Kind werden lässt, um deutlich zu machen, wie sich Dragon gegenüber den mächtigen amerikanischen Diplomaten fühlt.

Das Buch setzt sich zwischen die Stühle und passt nicht eindeutig in eine Schublade. Es ist teils fiktional, teils dokumentarisch, es folgt manchmal treu den Genreregeln des Krimis und widersetzt sich ihnen an anderer Stelle. Was es umso lesenswerter macht. Nicht umsonst wurde RG in Frankreich, wo inzwischen bereits ein zweiter Band erschienen ist, als einer der „essentiellen Comics“ des Jahres 2007 ausgezeichnet. Die deutsche Ausgabe überzeugt durch ihre stimmige Übersetzung, exzellentes Handlettering und eine wertige Hardcover-Aufmachung.

RG – Verdeckter Einsatz in Paris 1: Riad an der Seine
Carlsen, Juni 2009
Text: Pierre Dragon
Zeichnungen: Frederik Peeters
Hardcover; 112 Seiten; farbig; 16,90 Euro
ISBN: 978-3-551-77787-4

Gelungene Mischung aus Doku und Fiktion

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Abbildungen: © Carlsen Verlag