Rezensionen

Plume 1 – … wie eine Rauchwolke

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plumeaRache ist wie eine Rauchwolke (engl. „Plume“). Sie scheint greifbar, doch wenn du sie nehmen willst, fassen deine Finger ins Leere.

Diesen Satz bekam Vesper Grey einst von ihrem Vater, einem umtriebigen Archäologen, mit auf den Weg. Die junge Dame lebt bei ihrer vornehmen und strengen Tante und hadert mit ihrem langweiligen Leben. Als sie durch einen Unfall in Lebensgefahr gerät, taucht plötzlich ein weißhaariger Junge namens Corrick auf. Dessen Seele, so berichtet er selbst nach gelungener Rettung, ist seit Generationen an das Amulett gebunden, das Vesper um ihren Hals trägt.

Das Amulett entpuppt sich als eines von mehreren magischen Artefakten, die ihr Vater auf seinen Reisen gefunden und seiner Tochter nicht ohne Hintergedanken geschenkt hat. Dass diese den Schutz des mysteriösen Corrick tatsächlich gut gebrauchen kann, zeigt sich im späteren Verlauf: Nach der Rückkehr ihres Vaters nimmt er Vesper mit zurück in den Westen. Während der Fahrt wird ihre Kutsche von eine Gaunerbande überfallen, die es auf die wertvolle Fracht abgesehen hat.

Plume beinhaltet einen recht unausgegoren Stilmix. Die Story lässt sich in etwa als Teenie-Western mit Mystery-Touch beschreiben. Das Ganze läuft allerdings, vor allem optisch, vor einer cartoonistischen, mangaähnlichen Kulisse ab. Autorin und Zeichnerin K. Lynn Smith veröffentlicht Plume seit 2011 im englischsprachigen Original als Webcomic. Die Handlung funktioniert meines Erachtens online, in kleinen Häppchen rezipiert, durchaus aus besser als in Form eines Sammelbandes. Denn in Letzterem werden die erzählerischen Schwächen überdeutlich. So ist zum Beispiel das plötzliche Auftauchen des Vaters mitsamt seiner Geheimnisse im Gepäck wenig nachvollziehbar, Nebenfiguren wie der schurkische Dominic oder die Saloonbesitzerin Tegan bleiben blass und Vespers Wandlung vom Mauerblümchen zur coolen Westernamazone mit Colt wirkt seltsam.

Schade, dass K. Lynn Smith die philosophische Tiefe der eingangs zitierten Wolkenmetapher zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd wiederholt, sondern sich stattdessen auf eine recht austauschbare und oberflächliche Story versteift. Ein weiteres Problem ist, dass es der Künstlerin einfach nicht gelingt, diesen Western als solchen zu vermitteln. Der Plot könnte auch 1:1 auf jedes andere Genre übertragen werden, ohne dass es der Leser überhaupt merken würde. Der Eindruck verstärkt sich aber auch gravierend durch die Vernachlässigung von Hintergründen. Diese sind nämlich äußerst spärlich geraten. Hin und wieder kann man mal ein Pferd oder ein Haus erblicken, meistens agieren die Protagonisten aber doch eher in Nahaufnahme vor kargen und monotonen Kulissen. Das muss an sich kein negativer Kritikpunkt sein, aber er verfestigt das Gesamtbild eines doch eher dünnen Machwerks, inhaltlich wie zeichnerisch.

Seite aus Plume 1Dabei haben mir die Zeichnungen der Figuren an sich sehr gut gefallen. Auch wenn die Stärke von K. Lynn Smith nicht in der Dynamik der Actionszenen liegt, so sind gerade die emotionaleren und witzigeren Momente wirklich gelungen. Hier beweist sich in sehr vielen Augenblicken ihr Gespür und Timing für die jeweils passende Mimik.

Die Crux dieses Bandes liegt vielleicht auch darin, dass man ihn keiner bestimmten Zielgruppe richtig zuordnen kann. Was optisch wie ein kindgerechter Manga mit überzogenen Bildern und großen Kulleraugen daherkommt, liest sich am Anfang wie ein Teenieroman, bei dem zwei hübsche junge Menschen sich ihre Liebe eingestehen. Aber auch in diesem Eindruck sieht man sich schnell getäuscht. Denn anstelle von Liebe geht es um Rache. Und man findet sich in einem Genre wieder, das zu dem ganzen Setting irgendwie nicht passen mag: dem Western. Noch dazu ein Western, der aus heiterem Himmel mit äußerster Brutalität schockt. Spätestens dann ist vom kindgerechten Manga nichts mehr übrig. Einem hartgesottenen Western-Fan kann man diesen Band allerdings auch nicht wirklich in die Hand drücken.

Für Plume bleibt demnach eine Leserschaft, die sich im Bereich Teenie-Manga-Western-Mystery wohl fühlt. Was wesentlich einfacher wäre, wenn man jedes Genre-Teilstück nicht nur halbgar bedienen würde. Zumindest die Ausdrucksstärke der Figuren und die an vielen Stellen geglückten Dialoge bleiben positiv in Erinnerung und zeugen im Ansatz durchaus vom vorhandenen Talent der Künstlerin.

 

Wertung: 5 von 10 Punkten

Für das Lesen zwischendurch einen Blick wert, gerade erzählerisch aber kein wirkliches Highlight

 

Plume 1 – … wie eine Rauchwolke
Dani Books, Dezember 2013
Text und Zeichnungen: K. Lynn Smith
Übersetzung: Jano Rohleder
152 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 14 Euro
ISBN: 978-3-944077-31-4
Leseprobe

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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: dani books