Rezensionen

Pelikan Protokoll 1 – Erste Phase

Cover Pelikan Protokoll 115 Menschen aus aller Welt werden entführt in der geheimen Station „Pelikan B“ untergebracht. Über den Grund ihrer Verschleppung werden sie nicht informiert. Nur eins scheint sicher: Die Entführten sind weniger Gefangene als vielmehr Probanden eines groß angelegten Experiments.

Augenscheinlich haben die 15 Protagonisten nichts gemeinsam, weder Nationalität, noch Alter oder Geschlecht. Warum wurden also genau diese Menschen ausgewählt? Aufschluss darüber könnte die Einsicht in das sogenannte Pelikan-Protoll geben, an das sich Forscher und Aufseher sklavisch halten müssen. Genau das wird aber im ersten Band dieser Serie nicht näher spezifiziert. Im Gegenteil. Man bekommt viel eher den Eindruck, dass auch die eigentlichen Versuchsleiter Teil des Experiments sind und in gewisser Weise ahnungslos dem Protokoll folgen. Der erste Teil dieser vierteiligen Reihe liest sich dementsprechend wie die Betrachtung einer Doppelblindstudie, bei dem man sich als Leser nie wirklich klar sein kann, welche Person im Versuchsaufbau wieviel weiß, und welches Ziel die Aktion verfolgt.

Zunächst sind die Versuchspersonen (laut Protokoll ausschließlich als „Einheiten“ bezeichnet) isoliert in videoüberwachten Einzelzellen. Kontakt haben sie zumeist nur zu den Wärtern (= Kameraden), außer in den wenigen Sitzungen bei den Forschern (= Berater) der Einrichtung. Um die Reaktion der Teilnehmer auf andere Entführte zu untersuchen, wird kurzzeitig eine „Vernetzung“ initiiert, bei der alle Zellen geöffnet werden und ein Austausch untereinander stattfinden kann (interessanterweise auch zu den „Kameraden“, was den Eindruck verstärkt, dass auch diese Hilfskräfte unfreiwillig Teil der Sozialstudie sind).

Damit haben Richard Marazano (Text) und Jean-Michel Ponzio (Zeichnungen) nach Der Schimpansenkomplex einen weiteren spannenden Mysterycomic gestartet. Diesmal begeben sie sich weniger in das SciFi-Genre als vielmehr in psychologische Gefilde. Bereits jetzt lässt sich die Serie gut an. Viele Fragen werden aufgeworfen, viele Momente, wie die aufgezeichneten Interviews aller 15 Hauptfiguren, sind wirklich gelungen. Außerdem spielt Marazano ganz wunderbar mit drei Perspektiven: Wissenschaftler, Aufseher, Insassen. So ist jede dieser Parteien mal im Zentrum und man bekommt deren Sichtweise präsentiert. Das ist bei so vielen unbekannten Variablen und Rätseln ein echter Balanceakt für einen Autoren.

Seite aus Pelikan Protokoll 1Analog zu Der Schimpansenkomplex zaubert Ponzio auch hier wieder wunderschöne Bilder aufs Papier. Auch wenn sich manche Szenen aufgrund ihres Fotorealismus vom Hintergrund hin und wieder schablonenhaft abheben, gefällt mir dieser Stil außerordentlich gut.

Weniger positiv überrascht war ich von der Enführung der Einheit Nummer 4, Isabell. Sie ist unter einer Gruppe von Hauptfiguren quasi nochmal die ganz besondere Hauptfigur, der Held, wenn man so will. Daheim musste sie ihren kleinen Bruder zurücklassen, für den sie allein verantwortlich ist und der, sie wird nicht müde es zu erwähnen, ohne sie nicht klarkommt. Natürlich ist Isabell im Zuge dessen getrieben von einer Art Mutterinstinkt und zeigt sich als die taffe Alleinerziehende, die sich den Forschern widersetzt, wo sie nur kann. Ob es so eine klischeehafte Figur unbedingt gebraucht hätte, nur um krampfhaft Emotionen beim Leser wecken zu wollen, bleibt anzuzweifeln.

 

Wertung: 9 von 10 Punkten

Klasse Beginn einer mysteriösen Verschwörung, auch grafisch sehr zu empfehlen

 

Pelikan Protokoll 1 – Erste Phase
Splitter Verlag, Januar 2013
Text: Richard Marazano
Zeichnungen: Jean-Michel Ponzio
Übersetzung: Tanja Krämling
64 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 13,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-562-5
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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag

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