Der zweite Band der DC-Reihe Justice League Dark (hier unsere Rezension von Band 1) beginnt wie ein aus den Fugen geratener Kindergeburtstag: Die Welt geht unter, Blitze zucken, Städte brennen, Untote und Vampire schweifen umher und nur John Constantine, Shade und die restliche Justice League Dark können die Welt retten. Und weil es sich um ein sogenanntes Crossover handelt, funken auch noch der Vampir Andrew Bennett aus I, Vampire und allerhand sonstige Superhelden mit. Irgendwie hat man das Gefühl, dass die eigentliche Handlung in den Parallelserien passiert, ahnt aber, dass auch diese Hefte nur ein aufgeblasener, hohler Kinderfasching sind. Arme Künstler, möchte man meinen, die von ihren Editoren verdonnert werden, sich ständig an solchen Kindereien beteiligen zu müssen.
Und trotzdem: Im letzten von Peter Milligan geschriebenen Einzelheft gibt es eine einzige wunderschöne Szene von traumhafter Poesie, für deren Verständnis es allerdings hilfreich ist, zu wissen, dass Milligan in den 90er Jahren Autor der überragenden Vertigo-Serie Shade the Changing Man war. Shade erliegt einem von seiner „Madness“-Jacke verursachten Zusammenbruch, die ihn aus der Realität direkt in die ihm vertraute Zone des Wahnsinns („Area of Madness“) katapultiert und ihn dort auf seine verstorbene Freundin Kathy treffen lässt. Das bedeutet nicht, dass Shade in dieser Szene stirbt: Shade-Leser aus besseren Comic-Jahrzehnten wissen, dass es sich hier um die für Shade durchaus typische Realitätsflucht handelt, der Zirkus wird ihm schlichtweg zu bunt. In der „Area of Madness“ nimmt Shade dann die Hand seiner geliebten Kathy und schlendert mit ihr in eine sorglose Zukunft ohne Probleme. „John Constantine, Zatanna, Madame Xanadu, Boston Brand“, fragt sie ihn besorgt nach seiner Justice League aus, „du warst doch in diesem ‚Team‘ , nicht wahr? Wirst du wieder dorthin zurückgehen?“ „Ich denke nicht“, erwidert Shade. „Es wird große Änderungen geben, Kathy. Änderungen jenseits unserer Vorstellungskraft. Ich denke nicht, dass in ihrem ‚Team‘ noch Platz für mich sein wird.“
Die Änderung jenseits unserer Vorstellungskraft ist natürlich der Autorenwechsel von Milligan zu Jeff Lemire, und die Aussage, dass in ihrem „Team“ kein Platz mehr für ihn sein werde, trifft natürlich nicht nur auf Shade zu, sondern vor allem auch auf Milligan selbst. Schöner hat Milligan seine Identifikation mit der Figur Shade selten auf den Punkt gebracht, und allein, dass er das Wort „Team“ in Anführungszeichen setzt, lässt sich schon als Seitenhieb aufs DC-Management verstehen, denn deren launiger und willkürlicher Umgang mit Autoren und Zeichnern hat sowohl bei den Kreativen als auch bei Lesern in den letzten Jahren ja schon recht oft für Unmut gesorgt. Ja, Peter Milligan kann schon recht subversiv und witzig sein, und allein wegen dieser schönen Inszenierung ist es mir fast unmöglich, ein angemessen kritisches Urteil über das Buch zu fällen.
Nach dem Wechsel bringt Jeff Lemire, der neue Autor, zunächst durchaus etwas frischen Wind in die Reihe. Er bedient sich recht freimütig an bekannten Mystery-Motiven und es macht durchaus Sinn, John Constantine und seine Crew in ein Szenario zu werfen, das eine Mischung aus Jäger des verlorenen Schatzes, Hellraiser, Tanz der Teufel und Akte X ist. Auch die Verwendung des „House of Mystery“, dessen Zimmer sich ständig verändern, ist zunächst reizvoll und gut inszeniert. Lemire schafft es ganze zwei Hefte lang, eine halbwegs stilvolle Atmosphäre aufrechtzuerhalten, bis erneut die Hektik ausbricht. Anstatt Räume und Atmosphäre wirken zu lassen, beamt und teleportiert man sich schon wieder hektisch zwischen den Schauplätzen hin und her, und ehe man sich versieht, tummeln sich abermals die Gaststars des restlichen Heftchenuniversums. Das Konzept des New-52-Universums, das derzeit allen DC-Serien übergestülpt wird, wirkt in dieser Reihe wie eine Glocke, die alles Leben, das in den Figuren steckt, erstickt. Schade um die guten Figuren.
Wertung:
Justice League Dark ist ein guter Beleg dafür, wie DC Comics derzeit das Potenzial von Figuren und Autoren verschleißt.
Justice League Dark Vol. 2 – The Books of Magic
DC Comics, Juli 2013
Text: Peter Milligan und Jeff Lemire
Zeichnungen: Mikel Janin, Lee Garbett et al.
224 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 16,99 US-$
ISBN: 978-1401240240
Abbildungen: © DC Comics