Was für ein großer Nerd muss man eigentlich sein, um die neuen DC-Serien gänzlich verstehen zu können? Aus irgendeinem Grund gerät, wie wohl in ca. 51 anderen DC-Reihen, die Realität aus den Fugen, und da Magie im Spiel ist, ist die reguläre Justice League ratlos. Eine neue, dunklere Justice League muss her, mit dunklen Helden, die „eine Gefahr für sich selbst sind, was aber nicht heißt, dass sie nicht auch für andere gefährlich sein können“ (Zitat: Madame Xanadu). Natürlich muss diese dunkle Liga erst noch zusammengewürfelt werden.
Nun mögen die Figuren dieser Liga den Kennern des DC-Universums durchaus bekannt sein, den Gelegenheitsleser dürfte das Buch hingegen ziemlich überfahren, denn Peter Milligan macht auch vor sehr obskuren Bewohnern des DC-Universums nicht halt. Schlimmer noch: Einerseits sollte man die Figuren zwar am besten bereits kennen, andererseits werden sie aber teilweise auf eine neue und individuelle Weise charakterisiert, so dass durchaus von einer Neuinterpretation gesprochen werden kann. Ob man damit neue Leser findet und alte Leser bei der Stange hält?
Gerade bei der Figurenzeichnung hat Peter Milligan allerdings einiges zu bieten. Zunächst macht es Freude, dass Shade aus der Versenkung gehoben wird. Peter Milligans Shade The Changing Man war Anfang der 1990er Jahre eine der herausragenden Reihen des DC-Verlags, und man merkt, dass es Milligan immer noch Freude bereitet, mit dieser Figur zu arbeiten. Interessant ist auch Milligans Version von Boston Brand, dem Deadman. Der kann von anderen Personen Besitz ergreifen und nutzt bei Milligan diese Fähigkeit in seiner Freizeit vor allem aus, um neue sexuelle Möglichkeiten auszuprobieren. Überhaupt handeln Milligans Comics oft von zwischenmenschlichen Problemen dieser Art, und seine Figuren haben häufig eine enorme emotionale Tiefe.
Weiterhin mit von der Partie sind Madame Xanadu, die hier als manipulierende, drogenbenebelte Seherin eingeführt wird, die immer leicht knuffige Zatanna, der unvermeidliche John Constantine, der in dieser Neuinterpretation etwas arg an Spike aus Buffy erinnert, und aus irgendeinem ominösen Grund auch ein seltsamer Kerl mit dem Namen Mindwarp, eine Figur aus dem verschrobenen Flashpoint-Crossover, in welchem das DC-Universum vor dem Relaunch sehr durcheinander gewürfelt worden ist. (Unter anderem wurde der Batman-Mythos in Flashpoint so grundliegend geändert, dass der kleine Bruce Wayne in der Batman-Origin-Story stirbt und sein Vater (!) daraufhin zum Batman wird.) Gerade wegen der Verwendung dieses Mindwarp frage ich mich fast, ob nicht das ganze New52-Projekt ein einziger großer Crossover-Marketinggag ist. Aber Justice League Dark ist konsistent und stimmig genug, solche Bedenken schnell zu zerstreuen.
Die Handlung in Justice League Dark – In The Dark, das die ersten sechs Hefte enthält, ist teilweise recht sprunghaft, mit stets wechselnden Orten, von denen die handelnden Personen sich oft gewollt, teils ungewollt, über magische Portale, Felder oder sonst wie hin und her beamen und sich trotzdem stets aufs neue mühelos finden. Dennoch: Trotz der dadurch teilweise auftretenden Hektik sind die Figuren gekonnt als Grenzgänger an den Grenzen der Realität charakterisiert.
Es dauert eine Weile, bis man zu dieser Reihe einen Zugang findet, aber die gute, anspruchsvolle Charakterisierung der Figuren macht neugierig auf das, was noch kommen mag. Leider wird Peter Milligan die Autorenschaft ab dem neunten Heft an den zur Zeit omnipräsenten Jeff Lemire abtreten. An diesem neuen Architekten im DC-Universum führt wohl derzeit kein Weg vorbei. Ob das eine gute Entwicklung ist?
Wertung:
Ein wüstes, aber originelles und vielversprechendes Team-Up mit DC-Helden aus der zweiten Reihe
Justice League Dark 1 – In The Dark (US)
DC Comics, Oktober 2012
Text: Peter Milligan
Zeichnungen: Mikel Janin
144 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 14,99 USD
ISBN: 978-1401237042
Abbildungen © DC Comics