Eigentlich ist Hellboy ein Comic für Intellektuelle. Für Schöpfer Mike Mignola jedenfalls waren die Geschichten um seinen Ermittler aus der Hölle schon immer mehr als nur ein Monster-Comic. Mit Hellboy steckte er sich selbst einen Rahmen ab, in dem er all die Geschichten erzählen konnte, auf die er Lust hatte. Das Ergebnis ist ein herrliches Amalgam: Internationale Folklore trifft auf Gothic und Groschenromane.
So ist auch der neueste Hellboy-Band „Ruf der Finsternis“ wieder eine Achterbahnfahrt durch Märchen und Geistergeschichten. Ein Schwerpunkt liegt dieses Mal auf der russischen Sagenwelt. Hellboy trifft einige alte Bekannte wieder, darunter Baba Jaga, Hekate und Igor Bromhead. Er muss sich mit einer Versammlung Hexen, mit einer Skelettarmee und mit dem unsterblichen Kriegerfürsten Koshchei herumschlagen. Nur die Nazis, die fehlen dieses Mal.
Solch ein Lieblingsprojekt des Autors muss jedoch noch lange nicht die liebste Comic-Lektüre der Leser werden. Dass Hellboy so viele Fans hat, liegt nicht in erster Linie an den Monstern, dem interessant geflochtenen Storytelling oder dem tollen Artwork. Es liegt an der Hauptfigur selbst. Denn auch der beste Horror-Comic, in dem sich immer nur Gut und Böse kräftig gegenseitig verdreschen, wird irgendwann langweilig.
Die Zeichnungen stammen dieses Mal nicht aus der Feder von Mike Mignola, sondern von Duncan Fegredo (Enigma). Mignola hatte von der Anfertigung des Artworks für Hellboy Abstand genommen, weil er mit anderen Projekten zu beschäftigt ist. Es ist erstaunlich, wie gut Fegredo die Atmosphäre der Serie trifft, wie sanft und unmerklich der Übergang ist. Normalerweise nehmen es Fans übel, wenn bei lang andauernden Serien ein Zeichnerwechsel stattfindet. Mit der Wahl von Fegredo als neuer Zeichner der laufenden Serie dürfte dieses Problem auf ein Minimum eingedämmt worden sein. Um es deutlicher zu sagen: Hellboy-Fans werden Mignolas Artwork zwar vermissen, aber auch schnell Fegredos Strich schätzen lernen.
Auch in dem neuesten Band wird deutlich, dass Hellboy eine vielfach gebrochene Figur ist. Er befindet sich auf der Suche nach sich selbst, nach seinem Schicksal und seinem Platz in der Welt. Er ist weder gut noch böse, weil das viel zu einfache Parameter sind, um dieser Welt gerecht zu werden. Zugegeben, Sorgen wie Hellboy haben die Leser nicht. Seine rechte Hand ist der Schlüssel zur Apokalypse. Böse Mächte drängen ihn, einen Weltenbrand zu entfachen und die Erde zu verheeren. Sein Ringen ist das Ringen mit dem Schicksal selbst. Nur wenn es einen freien Willen gibt, kann er die Apokalypse abwenden. Dieser innere Konflikt der Hauptfigur sorgt dafür, dass man Hellboy immer weiter und weiter lesen möchte. Und es ist zum Glück noch nicht zuende.
Hellboy 9: Ruf der Finsternis
Cross Cult, August 2008
Autor: Mike Mignola
Zeichnungen: Duncan Fegredo
204 Seiten; vierfarbig; Hardcover; 19,80 Euro
ISBN 9783936480832
Bildquelle: cross-cult.de