Rezensionen

Gröcha

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Cover Gröcha„Gröcha“? Was klingt wie ein Frosch im Hals oder eine Kombination zwischen einem Huster und einem ausgesprochenen Wort ist in Wahrheit ein Begriff aus dem Rätoromanischen und heißt auf Deutsch so viel wie „Dreck“. Wobei auch dieser Titel dann zugegebenerweise nicht gerade ein Kaufanreiz ist. Doch der kleine, aber äußerst feine avant-Verlag hat sich im Laufe seiner Geschichte so selten in seiner Publikationsauswahl vergriffen, dass man schon geneigt ist, sich alles zuzulegen, was in seinem Programm veröffentlicht wird. Und Peggy Adam, die Zeichnerin und Autorin von Gröcha, konnte bereits mit Luchadoras einen großen Kritikererfolg feiern. Allerbeste Voraussetzungen also.

Oberflächlich gesehen geschieht hier allerdings nicht viel. In naher Zukunft grassiert mitten in Europa eine Seuche. Um die Infektion einzudämmen, hat sich ein restriktives System entwickelt, in dem die Bevölkerung überwacht und ihre Verhaltensweisen streng reglementiert werden. Marc, dessen Frau erste Anzeichen der Krankheit zeigt, möchte in die Natur fliehen und etwas zur Ruhe kommen. Doch man kann sich selbst und der Vergangenheit nicht entfliehen, und so wird die Flucht zur Konfrontation.

Auch wenn die Story an sich sehr überschaubar ist, holt Peggy Adam doch das Maximale daraus hervor. Das gelingt ihr mit einem geschickten Spiel von Anspielungen, aus dem sich eine enorme Spannung entwickelt. Erst am Ende klärt sich einiges aus der Vergangenheit der Protagonisten auf und bis dahin liest man gebannt weiter, da man wissen will, ob sich der eigene Verdacht bewahrheitet.

Leider ist die letztendliche Essenz des Bandes eine Binsenweisheit und alles andere als neu. Aber bei Themen, die schon seit gefühlten Ewigkeiten aktuell sind, ist es auch schwer, einen ganz neuen Zugang zu finden. Es geht mal wieder um Umweltzerstörung und dass alles eins ist, sprich der Mensch ohne die Natur nicht überleben kann und im Grunde die Zivilisation der Feind der Umwelt ist. Das ist nicht neu, aber zum Glück ohne pädagogischen Zeigefinger erzählt.

Seite aus GröchaDass die Natur zurückschlägt und dem Menschen seine Grenzen aufzeigt, kann man jeden Tag in den Nachrichten verfolgen. Da geht es also dann weniger um das „was“, sondern wie das präsentiert wird. Selbst in Tragik und Gefahr kommen sich die Menschen hier nicht näher, sind sich uneins und unfähig zu wirklicher Empathie. Dann wird jede Liebe zu reinem Egoismus.

Düster ist der Inhalt, dunkel die Zeichnungen. Je näher man in die vermeintlich liebliche Natur eindringt, umso schwärzer, bedrohlicher werden die Zeichnungen. Der Mensch hat die Natur verdorben, hat sich von ihr entfremdet und die Umwelt ist eine fremde, bedrohliche Welt geworden, die gegen das ewige „Ich“ ankämpft, da hier nur das Kollektiv des Lebens gilt. Und am Ende versinkt alles im Schwarz. Das ist wirkungsvoll, aber auch wenig subtil.

Generell ist die Thematik sehr unangenehm, kann aber leider den Leser nicht sonderlich berühren. Zu fremd, zu sperrig bleiben die Figuren, als dass man ihnen gegenüber Empathie entwickeln könnte, und so stellt sich der Comic selbst ein Bein. Die Erzählung bleibt teilweise zu abstrakt und zeigt zu viel Stilwillen, um den letztlich banalen Inhalt zu transportieren. Das geht auf Kosten der Emotionen, wobei es ja einer der inhaltlichen Punkte ist, dass man offensichtlich zu wenig von ihnen zeigt. So bleibt Gröcha auf einem Mittelweg stehen: Der Comic ist im Großen und Ganzen gelungen, da einige wirkungsvolle Passagen enthalten sind, aber er hinterlässt nicht gerade einen prägenden Eindruck.

 

Wertung: 7 von 10 Punkten

Ein altes Thema mit viel Stilwillen präsentiert, was zu Lasten der Emotionen geht.

 

Gröcha
Avant Verlag, März 2014
Text und Zeichnungen: Peggy Adam

Übersetzung: Claudia Sandberg
Seiten, schwarz-weiß, Softcover
Preis: 19,95 Euro
ISBN: 978-3-939080-92-3
Leseprobe

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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Avant Verlag