Rezensionen

Green River Killer

Cover Green River KillerEs gibt in populären Medien nun wahrlich Stoff genug über Serienmörder. Seien es nun erfundene oder die Aufbereitung von wahren Fällen und Schilderungen der Psyche der Täter. Wobei es im letzteren Fall schon fast gleichgültig ist, ob sie nun fiktiv sind oder nicht. Aber ist das wirklich so? Erfundene Figuren dienen meist dazu, die Intention und die Meinung des Schöpfers zu verdeutlichen. So kann er seine Hypothesen, warum jemand zum Mörder wird, in eine erfundene Handlung verpacken und sie damit bestätigen. An realen Mördern hingegen kann man sich meist die Zähne ausbeißen, da man seine Thesen und Theorien an Fakten beweisen muss. Was nicht immer geschieht oder manchmal an den harten Tatsachen scheitert.

Green River Killer ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Jeff Jensen möchte den Mörder verstehen. Er, und im Verlauf der Geschichte auch immer mehr der Leser, möchte wissen, was der Täter fühlt, was ihn zu seinen Taten trieb, ob er Reue empfindet, schlicht: was das Böse im Menschen erwachen lässt. Dabei ist Jensen emotional durchaus involviert. Denn die Graphic Novel basiert auf wahren Geschehnissen und der damals ermittelnde Polizist ist niemand geringeres als der Vater des Autors. Tom Jensen arbeitet im Einbruchs- und Diebstahlsdezernat und bekommt das erste Mal 1980 mit Morddelikten zu tun. Als 1983 erkannt wird, dass in Seattle offenbar ein Serienmörder am Werk ist, meldet er sich aus Karrieregründen zu der ermittelnden Einheit und bleibt 19 Jahre lang auf der Spur des Mörders, bis man ihn endlich fassen kann.

Seite aus Green River KillerDa der Mörder schon zu Beginn fest steht, schließlich ist er historisch verbürgt, ist Green River Killer weniger ein Krimi, in dem es um die Aufklärung eines Verbrechens geht, sondern ein Thriller, der sich auf die Psychologie konzentriert. Und zwar nicht nur auf die des Mörders, sondern viel mehr noch auf die der Polizisten und darauf, wie sich deren Arbeitsleben und auch ihre Familien im Schatten des Täters geändert haben. Da die persönliche Komponente dazu kommt, wird die Frage nach dem „Warum“ umso beklemmender. Denn eine Antwort gibt es nicht und selbst der Täter scheint sie nicht zu kennen.

Was macht jemanden also zum Monster? Liegt es in der Natur des Menschen und nur die Zivilisation hindert ihn daran, Ungeheuerliches zu begehen? Das wäre eine sehr pessimistische Sichtweise und hier hält sich die Graphic Novel angenehm zurück. Stattdessen lässt sie Fragen offen und stellt keine Behauptungen auf, sondern lässt den Leser mitdenken. Jensen verzichtet auch gänzlich auf Effekthascherei. Es gibt keine Action, keine Verfolgungsjagden, keine Schusswechsel, keine grässlichen Autopsieszenen und auch die Morde selbst werden nicht gezeigt. Hier wird viel Sympathie und Rücksichtnahme gegenüber den Opfern aufgebracht. Jensen geht rein den Ermittlungswegen und ihren psychologischen Auswirkungen nach. Dabei entsteht eine Gratwanderung zwischen nüchtern erzählten Fakten und Emotionen, wobei die Zeichnungen von Jonathan Case dafür sorgen, dass diese gelingt.

Seine Bilder halten sich sehr zurück und schaffen einen sehr distanzierten Blick. Das Artwork transportiert eine Kühle, welche das Grauen verdeutlicht, aber auf sichtbare Grausamkeiten verzichtet. Cases Zeichnungen sind sehr unaufdringlich und distanziert, um dann in einzelnen Szenen auf dezente Art und Weise eine ungeheure emotionale Wucht zu entwickeln. Etwa wenn dem verhörenden Polizisten angesichts der Stumpfheit des Täters und seiner eigenen Unfähigkeit, diese Taten zu begründen, eine Träne in den Augenwinkel gerät. 

Generell befinden sich Jensen und Case hier auf einer einzigen Gratwanderung zwischen den einzelnen Elementen, die sie bravourös meistern. Green River Killer zählt somit zu den besten Comics, die je über einen Serienmörder geschaffen wurden.

 

Wertung: 10 von 10 Punkten

Ein Bravourstück, das es trotz aller Nüchternheit und Distanziertheit schafft, auch emotionale Wucht ganz ohne Effekte zu erzeugen.

 

Green River Killer. Die wahre Geschichte eines Serienmörders
Carlsen Verlag, Februar 2014
Text: Jeff Jensen
Zeichnungen: Jonathan Case
Übersetzung: Jan-Frederik Bandel
240 Seiten, schwarz-weiß, Hardcover
Preis: 18,90 Euro
ISBN: 978-3-551-73644-4
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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Carlsen Verlag