Empire USA ist, wie el Niño, die Doppelbandausgabe einer Serie, deren erster Band bereits in mehreren Teilen über das Comicmagazin ZACK veröffentlicht wurde. Auch hier tritt die Problematik auf, dass ZACK-Leser eine Hälfte dieses Albums schon kennen und auch schon dafür bezahlt haben.
Die Handlung spielt im Geheimdienstmilieu und dreht sich um einen geplanten Anschlag von Terroristen in den Vereinigten Staaten – also eine erstmal nicht unbedingt durch Originalität herausstechende Geschichte. Dabei ist sie allerdings in einer etwas verschobenen Welt angesiedelt. Autor Stephen Desberg erklärt die USA zu einem „Imperium“, das als Folge von Terroranschlägen die Trennung von Religion und Staat aufhebt. Die Thriller-Serie erscheint einem somit als eine Verarbeitung der Bush-Ära, was bei manchen Lesern einen etwas faden Geschmack hinterlassen könnte. Wer auf viele undurchsichtige Handlungsfäden und Mitfiebern steht, der wird hier trotzdem seinen Gefallen dran finden.
Hauptfigur ist Jared Gail, Sohn wohlhabender amerikanischer Eltern und in mehreren Gebieten wie Ägypten und dem Nahen Osten aufgewachsen. Aus Abenteuerlust ist er als junger Mann für die US-Armee im Irak tätig, um Terroristen ausfindig zu machen und zu eliminieren.
Dort erfährt er durch einen Gefangenen zum ersten Mal von der Operation „Ipcon“ – ein Attentat der Hashashins-Sekte, das auf dem Boden der USA mit amerikanischen Waffen durchgeführt werden soll. In der sechsbändigen Comicserie, dessen erstes Drittel in diesem Album vorliegt, geht es aber nicht nur darum herauszufinden, ob es Ipcon tatsächlich gibt, was erreicht werden soll und wie die Tat verhindert werden kann. Vielmehr baut Desberg ein ganzes Spannungs-Gerüst um Jared auf – von einer Geliebten, die nicht das ist, was sie vorgibt zu sein, über ein entfremdetes, fast schon feindseliges Verhältnis zur eigenen Familie bis hin zu einer geheimnisvollen Münze, die Jareds Mutter ihm nach ihrem Tod hat zukommen lassen.
Trotz all dieser Informationen ist Jared dem Leser sehr distanziert und bleibt farblos. Bei der Fülle von Informationen, die man erhält, aber nicht verknüpfen kann, bleibt dies nicht aus. Desberg wirft dem Leser nur kleine Brocken hin und ist dann schon wieder an einem anderen Schauplatz oder in einer anderen Zeitebene. Manchmal lässt er einen über einige Seiten etwas verschnaufen mit einem Handlungsstrang, bis dann wieder in wenigen Panels neue Spuren gelegt werden und munter hin- und hergesprungen wird. Dies ist zum Teil sehr spannend, zum Teil anstrengend. Auf jeden Fall wird dies eine Serie sein, die man sich nach Abschluss noch einmal durchlesen muss, um all die angefangenen Fäden verknüpfen und die angedeuteten Hintergründe verstehen zu können. Ob dies beim Abschluss der Serie zufriedenstellend gelingt, kann noch nicht gesagt werden, Zumindest bleibt es über das Doppelalbum spannend genug, es in einem Rutsch durchzulesen. Hilfreich bei dem ganzen Gewusel ist auf jeden Fall die Zuordnung von Namen zu Gesichtern der wichtigsten Personen auf den Innenumschlagseiten. Sowieso hinterlässt die Aufmachung der ZACK Edition einen hochwertigen Eindruck.
Die zwei hier zusammengefassten Bände unterscheiden sich etwas in der zeichnerischen Umsetzung, was aber nicht störend auffällt. Beide sind in einem ähnlichen realistischen frankobelgischen Stil gehalten, wobei mir Zeichner Griffo im ersten Band souveräner erscheint als Alain Mounier im zweiten, dessen Figuren mitunter steifer wirken. Vielleicht färben die Dialoge von Empire USA ab, die gerne mal in Richtung Melodramatik schliddern. Die Kolorierung wird sowohl mit harten als auch mit weichen Kanten durchgeführt. Die harte, klare Cellshading-Technik gefällt mir hier deutlich besser; schade, dass sie nicht konsequent angewandt wurde.
Wenn man Greg Ruckas Comic- und Buchserie Queen & Country (Comics deutsch bei Modern Tales, Rezension zu Band 8), die ja einen bewusst realistischen Eindruck des Geheimdienstgeschäfts vermitteln will, kennt, dann fällt einem schon sehr das Zurechtbiegen und Vereinfachen in Empire USA auf. Hier geht es nicht um ein Abbild von Realitäten, sondern um ein Setting, das von Desberg geschaffen wurde, um einen Thriller zu erzählen – was nichts Verwerfliches ist. Gerade auch die vom Autor beiläufig und nicht wirklich nachvollziehbar eingeführte veränderte Staatsform der USA sollte jedem Geheimdienstfan klar machen, dass er hier keine echten Hintergründe erwarten darf.
Nach 96 Seiten ist man zwar nicht schlauer, warum sich Jared umbringen will, der auf der ersten Seiten des Albums mit einem Revolver an seiner Stirn gezeigt wird und dem Leser in einer Retrospektive vom Geschehen berichtet. Aber man ist willens und leidlich gespannt, sich auch noch den Rest seiner Geschichte (zwei weitere Doppelbände) anzuhören. Dies liegt aber wahrlich nicht an der ausbaufähigen Charakterisierung der Figuren, sondern an dem Puzzlespiel, mit dem Desberg aufwartet und das die Neugier der Leser anfacht.
Empire USA 1+2
MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag (ZACK Edition), Juni 2009
Text: Stephen Desberg
Zeichnungen: Griffo, Alain Mounier
96 Seiten, farbig, Hardcover; 24,80 Euro
ISBN: 978-3937649467
Abbildung Empire USA © Griffo & Desberg 2008 (Dargaud)