Häßlich. Das sind fast alle Figuren in diesem Comicband. Doch es ist nicht nur ihr unattraktives Aussehen, auch ihre Taten sind häßlich. Das überrascht nicht, wenn der Blick auf den Namen des Künstlers fällt: Der aus dem französischen Lothringen stammende Baru alias Hervé Barulea gehört zu den eher weniger verbreiteten Comicschaffenden, welche sich fern jeder Genrekost kompromisslos den Schattenseiten der Gesellschaft widmen. Gewalt, soziale Ungerechtigkeit, Fremdenhass sind unter anderem die Themen, mit denen sich der preisgekrönte Zeichner immer wieder auseinandersetzt. In dem diesem Comic zu Grunde liegenden, gleichnamigen Roman des Autors Pierre Pelot (Der Pakt der Wölfe) hat er eine für ihn maßgeschneiderte Vorlage gefunden. Ein paar Verlierertypen in einem Kaff in der französischen Provinz lösen durch falsche Entscheidungen und Fehlverhalten eine unheilvolle Entwicklung aus und sehen schließlich keinen anderen Ausweg als den Griff zu mehr als drastischen Mitteln.
So deprimierend und unerfreulich diese Geschichte auch ist, so erfreulich ist hingegen ihre Umsetzung. Barus meisterhafte Beherrschung des Comicmediums erschließt sich dabei erst auf den zweiten Blick: die vielfältigen, gelungenen Perspektivwechsel, die ruhige und stilsichere Erzählweise, die sorgfältig gezeichneten Umgebungen und die unaufdringliche, aber wirkungsvolle Kolorierung. Man könnte Barus Bilder als schön bezeichnen, wären da nicht die Menschen in ihnen. Mit ihren überzeichneten, oft verzerrten Gesichtern und teils unförmigen Körpern streifen sie die Grenze zur grotesken Karikatur, übertreten diese jedoch nie ganz. Sie bleiben doch menschliche Wesen und gerade das macht ihre Taten so schwer verdaulich.
Das Ende von Elende Helden mag in seiner Kompromisslosigkeit im ersten Moment überzogen und unpassend wirken: Ein spektakulärer Abschlussknall eben, wie ihn mancher Geschichtenerzähler als dramaturgisches Mittel zwecks Publikumswachrütteln schätzt. Doch dann fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Derart furchtbare, kaltblütige Verzweiflungstaten, wie sie eine der Figuren vollbringt, geschehen auch im wahren Leben. Es sind jene, gemeinhin als ‚Amokläufe‘ bezeichnete Taten, welche die Gesellschaft für einen kurzen Moment aus ihrer alltäglichen Lethargie wachrütteln und sogleich hektische Diskussionen nach den Gründen aufkommen lassen. Doch so schnell und heftig, wie diese jedes Mal entflammen, verschwinden sie auch wieder. Denn die Fragen, die man stellen muss, sind unbequem, die Antworten nicht eindeutig und einfache Lösungen nicht in Sicht. Die wohl unangenehmste Erkenntnis beim Lesen von Elende Helden ist, dass man in diesem Fall den Täter versteht.
Dem Vergleich mit Barus vielgelobtem Meisterstück Autoroute du Soleil hält Elende Helden zwar nicht stand, dafür ist der Band zu kurz, die Geschichte zu streiflichtartig, bleiben die Figuren zu sehr grobe Archetypen. Aber gelungen ist diese Comicerzählung durchaus hinsichtlich ihrer emotionalen Wirkung, und so begleitet sie einen gedanklich auch noch eine Weile nach der Lektüre.
Elende Helden
Edition 52, November 2009
Text und Zeichnungen: Baru, Romanvorlage: Pierre Pelot
Softcover, 96 Seiten, farbig, 18,- Euro
ISBN: 978-3-935229-71-5
Leseprobe
Unerfreuliche Themen, erfreulich umgesetzt
Abbildungen: © Edition 52