Rezensionen

DC Premium 65: Batman – Kakofonie


Batman: KakofonieOhne Whitney Ellsworth würde es diesen Comic nicht geben. Und Hunderte weitere Batman-Geschichten, darunter einige der besten Comics mit dem Mitternachtsdetektiv, ebenfalls nicht. Das ist ein Fakt.

Whitney wer?

Nun, der Mann war Anfang der 1940er Redakteur bei DC und seinem beherzten Eingreifen ist es zu verdanken, dass eine für Batman 1 geschaffene Figur nicht wie geplant direkt nach ihrem ersten Comicauftritt gleich wieder das Zeitliche segnete und so das Schicksal unzähliger Einwegschurken geteilt hätte. Es handelte sich − unglaublich aber wahr − um den Joker. Man stelle sich das einmal vor: Eine Welt ohne Comics wie The Killing Joke oder The Man Who Laughs und ohne den Überblockbuster The Dark Knight. DC bzw. Warner Bros sollte Whitney Ellsworth wohl ein Denkmal bauen.

Über die Jahre mauserte sich der auf diese Art gerettete clownhafte Soziopath zu einem der bekanntesten und meistverwendeten Comicschurken und heimste Titel wie „Number One Greatest Villain of All Time“ (Wizard Magazine) ein. Wie bei wohl allen herausragenden fiktiven Bösewichten liegt auch im Fall des Jokers ein nicht unbeträchtlicher Teil seiner Anziehungskraft in der Beziehung zu seinem Helden-Gegenstück begründet: Der von tiefer Neurose immer wieder in den nicht enden wollenden Kampf gegen die Kriminalität getriebene Dunkle Ritter und der irre „Clownprinz des Verbrechens“, dessen einziger Lebenszweck darin besteht, Batman zu zerstören. In unzähligen Geschichten wurde das Verhältnis der beiden Erzfeinde thematisiert, ihre charakterliche Nähe ausgelotet, sie als Ying-und-Yang-Gegenpole gedeutet, die ohne einander nicht existieren können.

Aber irgendwann kann auch der besten Beziehung die Luft ausgehen. Irgendwann erwischt der Fluch der Serie auch die spannendsten Figurenkonstellationen. Irgendwann möchte man nicht mehr lesen, wie der Joker Dutzende Menschen tötet, danach von Batman verprügelt wird und im Arkham Asylum landet, von wo er bald entkommt, Dutzende Menschen tötet und yadda yadda yadda

Batman: Kakofonie Im Fall von Batman − Kakofonie sprengt der Joker nach seiner jüngsten Flucht eine Schule in die Luft, um sich an B-Schurke Maxie Zeus zu rächen, der sich erdreistet hatte, das eigentlich tödliche Joker-Gift in verschnittener Form als Designerdroge zu verscheuern. In der Explosion stirbt eine Schulklasse voller Minderjähriger inklusive Zeus’ Neffen. Wäre Batman ein Anti-Held wie der Punisher, würde er den Joker dafür zweifelsohne jagen und töten. Da er aber als einer der „guten“ Helden einen strengen „Du sollst nicht töten“-Moralkodex vertritt, ist sein Ziel natürlich, den wahnsinnigen Schurken zurück in die Anstalt zu bringen, in der vagen Hoffnung, dessen psychotischer Geisteszustand könne doch noch geheilt werden. Alles wie gehabt also.

Aber Filmemacher und Gelegenheitscomicautor Kevin Smith (Zack and Miri Make a Porno) treibt (zusammen mit seinem grundsolide agierenden Zeichenpartner Walt Flanagan) das Szenario in diesem Fall einen Schritt weiter. Batman wird nämlich ebenfalls gejagt − vom lautmalerischen Heldenkiller Onomatopoeia, den Smith einst als Green-Arrow-Gegner ersonnen hatte. Ohne unnötig viel zu verraten: Der brisante Dreieckskonflikt endet damit, dass Batman einen durch Onomatopoeia tödlich verwundeten Joker in den Armen hält, während dieser die Chance zur Flucht nutzt. Batman lässt den einen Killer entkommen, um dem anderen das Leben zu retten. Und an dieser Stelle möchte man am liebsten zusammen mit Comissioner Gordon brüllen: „Bist Du irre? Lass ihn sterben.“ Huch?! War das etwa Smiths Absicht? Dem Leser seine niedersten Lynchmobinstinkte vor Augen zu führen und zu zeigen, was Batman eigentlich zum Helden macht?

Vielleicht.

Das Problem ist dabei jedoch, dass es Smith nicht gelingt, den Leser auf Batmans Seite zu ziehen und ihn von dessen Haltung zu überzeugen, davon, dass dieser „das Richtige“ getan hat.

Dass dies nicht funktionieren will, ist jedoch nicht allein Kevin Smiths Schuld, sondern letztendlich der allgemeinen Entwicklung von Superheldencomics seit den düsteren 1990ern geschuldet. Indem man die Helden grimmiger und die Schurken skrupelloser machte, wollte man sich realistischer geben und Comics auch für die durch mediale Gewalt abgebrühten Leser interessant halten. Während sich viele Superschurken in Sachen Grausamkeit fortan immer mehr an realen und filmischen Serienkillern orientierten, blieben die meisten Helden trotz martialischerer Kostüme und tiefer runtergezogenen Mundwinkeln jedoch letztendlich dieselben. Pfadfinder, die ihre Widersacher am Ende der Geschichte mit einem Netz oder Batseil verpackt der Polizei übergeben. Kostümierte Weltverbesserer gegen Psychopathen, die Hannibal Lecter Nachhilfe in Perfidität geben könnten. Das kann auf Dauer nicht funktionieren.

Gerade in Comics um relativ geerdete Helden wie Batman gibt es seit Jahren unübersehbare Annäherungen ans Psychothriller-Filmgenre, was teils hervorragend funktioniert und einige fantastische Geschichten hervorgebracht hat, aber sehr oft an eben jenem großen Spalt krankt, der sich zwischen den beiden kaum vereinbaren Ansprüchen aufgetan hat: eine Superheldengeschichte zu erzählen und gleichzeitig einen drastischen Thriller um brutale Killer oder psychopathische Massenmörder. In einer fiktiven Welt, in der die übelsten Schurken nie wirklich für ihre unbeschreiblichen Taten bezahlen müssen, sondern nur vorübergehend ins Gefängnis oder die Psychiatrie wandern, kann es keine befreiende Katharsis geben und als Ergebnis muss sich beim Leser irgendwann Unbefriedigung breit machen. Gerade Geschichten, in denen sich Held gegen Schurke, Gut gegen Böse, behaupten muss, leben davon, dass den Schurken am Ende ein angemessenes Schicksal ereilt. Figuren wie der Joker sind dagegen immun. Ihn schützen sein Beliebtheit und das Gesetz der Serie.

Batman: KakofonieKevin Smith kann man für diese Entwicklung freilich nicht verantwortlich machen. Was das Fass in seinem Fall jedoch zum Überlaufen bringt, ist, dass er Batman und den Joker am Ende der Geschichte zu einem Gespräch im Krankenhaus zusammenbringt, in dem die beiden ihre antagonistische Beziehung in bester „Lass uns drüber reden“-Manier erörtern. Das klingt schon in der Theorie nach einer schlechten Idee und das Ergebnis ist trotz Smiths glücklichem Händchen für Dialoge eher gruselig.

Wenn Batman seine Entscheidung, den Erzfeind nicht sterben zu lassen, mit dem altbekannten Mantra „Ich habe Menschen sterben sehen. Ich schwor damals: Nie wieder“ erklärt, klingt dies angesichts der Tatsache, dass der Joker bereits hunderte (!) Menschen auf dem Gewissen und gerade erst eine Gruppe Schulkinder in die Luft gejagt hat, wie Hohn. Vor allem, da der durch massive Psychopharmaka-Gaben (vorübergehend) geistig beinahe stabile Joker postwendend versichert, dass er solange weitermorden wird, bis Batman tot ist. Die Sympathie des Lesers − meine jedenfalls − hat Batman bzw. Kevin Smith hier verloren. Es hat beinahe etwas Erbärmliches, wie der Dunkle Ritter dem sedierten Schurken die Aussage entlocken will, dass er ihn vielleicht ja gar nicht wirklich töten möchte. Man kann den Joker nicht über Jahre hinweg zu einem massenmordenden Monster bar jeglicher Menschlichkeit hochstilisieren und dann erwarten, dass man als Leser noch Verständnis dafür hat, dass sein Wohlergehen dem ansonsten nicht sehr zimperlichen Batman wichtiger ist, als das seiner zahlreichen vergangenen und zukünftigen Opfer. Der Leichenberg ist dafür einfach zu hoch.

Bedeutet das, dass ich für mehr tödliche Selbstjustiz in Superheldencomics plädiere? Dass die Helden sich endlich ihren Antagonisten anpassen und − wie Green Arrow in der kürzlich heiß diskutierten Miniserie JLA: Cry for Justice − jene Schurken, die mit einer Tracht Prügel und Gefängnisseelsorge nicht mehr zu rehabilitieren sind, für immer aus dem Verkehr ziehen sollen?

Nein.

Ich wünsche mir im Gegenteil, dass die Autoren die Gewalt- und Bodycount-Schraube wieder etwas zurückdrehen. Das bedeutet nicht, dass ich die Batman-Comics in die Zeit von Rainbow Batman und Bat-Hound zurück wünsche. Gerade einer dem Pulp-Genre verbundenen Figur wie Batman stehen erwachsene Geschichten äußerst gut. Aber „erwachsen“ muss nicht bedeuten, dass man sich in Sachen Sadismus und Brutalität zu immer neuen Höhen aufschwingt. Denn wohin dies Figuren wie Batman und den Joker in ihrer Beziehung letztendlich führt, illustriert Batman − Kakofonie anschaulich: in eine Sackgasse.

DC Premium 65: Batman – Kakofonie
Panini Comics, Februar 2010
Text: Kevin Smith
Zeichnungen: Walt Flanagan
100 Seiten, Softcover 14,95 Euro; Hardcover 25 Euro
Nicht so prickelnd
 

Handwerklich einwandfreier Comic, der jedoch drastisch vor Augen führt, was faul ist im Superheldengenre.


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Abbildungen: © DC Comics / Panini