Rezensionen

Daredevil: Father

 Für diese Miniserie hat Marvel-Chefredakteur Joe Quesada selbst zu Stift und Papier gegriffen und die Story sowohl geschrieben als auch gezeichnet. Offenbar hat er dabei den Zeitaufwand gewaltig unterschätzt, denn die Erscheinungsweise der Einzelhefte in den USA war katastrophal: zweieinhalb Jahre lagen zwischen dem ersten und dem sechsten Heft, was man wahlweise peinlich, lustig oder unprofessionell finden kann.Dem deutschsprachigen Leser kann das egal sein, er bekommt die Geschichte in einem Rutsch, gesammelt im Paperback 100% Marvel 25. (Anmerkung: der Rezensent hat die US-Originalhefte gelesen, allerdings auch in einem Rutsch).

Quesada erzählt eine relativ klassische Daredevil-Geschichte, die ihren Ausgang wie so oft in einem Fall nimmt, den der Anwalt Matt Murdock übernimmt, und die mal wieder davon erzählt, wie und warum dessen Alter Ego Daredevil sein Viertel Hell's Kitchen vor dem Verbrechen schützen muss. Diesmal hat es Daredevil mit einem Serienkiller zu tun, außerdem wird er von einem bisher unbekannten Superheldenteam namens Santerians belästigt.

Quesada hat diesen Comic seinem Vater gewidmet und so spielt auch das Thema Vater-Sohn-Beziehung eine wichtige Rolle in der Geschichte. Wenn Superheldencomics versuchen, tiefsinnig und bedeutsam zu werden, bieten sie am Ende meistens doch nur oberflächliche Küchenpsychologie, und so ist es auch hier. Quesadas Rückblenden, wenn sich Daredevil an seine Anfänge, seinen Vater und an den Unfall erinnert, der ihn zum Superhelden machte, wirken aufgesetzt und beginnen ziemlich schnell zu nerven. Vor allem, weil Quesada dazu immer wieder die exakt gleichen Bilder benutzt, die ständig wiederholt werden, bis man sie kaum noch sehen mag.

 Daredevil: Father ist eine solide Superheldengeschichte, die durchaus lesbar und spannend ist, die den Leser zwischendurch auf falsche Fährten lockt und eine halbwegs überraschende Auflösung bietet. Sein großes Vorbild Frank Miller, dem Quesada hier sichtlich nacheifert, kann er allerdings nicht erreichen, weder zeichnerisch noch erzählerisch. Die Story liest sich nicht wie aus einem Guss; hier merkt man eben doch, dass es viele Pausen in der Produktion der Serie gab. Die eingeflochtene Nebenhandlung mit dem jugendlichen Heldenteam Santerians ist völlig überflüssig, trägt nichts relevantes zur Geschichte bei und dient einzig dazu, die Serie künstlich aufzublasen und ihr ein paar zünftige Actionszenen zu verpassen.

Und Quesadas Zeichnungen waren auch schon mal besser. Hier neigt er gerne zu grotesk verzerrten Perspektiven, Gesichtsausdrücken und Körperproportionen. Normalerweise kein Problem in einem Superheldencomic, aber eher unpassend, wenn man versucht, eine möglichst realistische, urbane „Down-to-earth“-Atmosphäre zu kreieren.

Die selbstgesteckten Ambitionen, eine sehr persönliche und bedeutsame Daredevil-Story zu erzählen, erreicht Joe Quesada hier nicht. Man verpasst nicht viel, wenn man Father nicht liest. Daredevil-Fans sind mit der laufenden Ongoing-Serie viel besser bedient: Dort liefern die Kreativteams (Bendis/Maleev und deren Nachfolger Brubaker/Lark) spannende und intelligente Noir-Krimis. Und die erscheinen auch noch pünktlich.

100% Marvel 25: Daredevil: Father
Panini Comics/Marvel Deutschland; Februar 2007
Text und Zeichnungen Joe Quesada
Tusche: Danny Miki
Farben: Richard Isanove
172 Seiten; 16,95 Euro

Mittelmäßige Unterhaltung

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US-Ausgabe:
Daredevil: Father
Marvel Comics
192 Seiten; Hardcover; 24,99 US-$

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Bildquellen: paninicomics.de, www.milehighcomics.com/firstlook/marvel/ddfather/