Rezensionen

Cash – I see a darkness

cash Spätestens seit Walk The Line im Kino lief, kann man guten Gewissens von »Cashmania« reden. Franz Dobler, Autor der Cash-Biographie The Beast In Me, verwendet diese Vokabel in seinem Vorwort zu Reinhard Kleists Comicbiographie Cash – I see a darkness. Cashmania. Ein Ausdruck für die allgemeine Begeisterung, die Johnny Cash posthum zuteil wird. Der schwarze Highwayman, Mister Ring-of-Fire, hat es in die Popkultur geschafft. Fast möchte man von Kult sprechen, wäre das Wort nicht so abgegriffen.

Bei Carlsen taucht nun die Lebensgeschichte von Johnny Cash als Comic auf. Neuerdings scheint sich die Comiclandschaft für die Musikszene zu interessieren. Comics über Bob Marley und Frank Zappa stehen bei Ehapa auf dem Programm. Bei Edition 52, die bereits Werke von Kleist veröffentlicht haben, soll im März 2007 eine limiterte und signierte Luxusausgabe von Cash – I see a darkness erscheinen. Mit CD, Hardcover und einem eigenen Titelbild. In Berlin lädt die Galerie Knoth und Krüger ein. Sie stellt in der Oranienstraße 188 die Kleistschen Originalseiten des Comics aus und lädt am 3.11. zu Digger Barnes aus Hamburg mit seinem VJ Pencil Quincy ein. Ob man wohl mit Cowboystiefeln zur Vernissage erscheinen darf?

Kleists Cash – I see a darkness scheint also einen Trend zu treffen. Ist ja auch nicht schwierig. Man nehme: einen bekannten, aber nicht allzu abgegriffenen Musiker. Dazu rühre man seinen Lebenslauf und ein paar seiner Songtexte. Vermische knackige Zitate mit ein wenig Lebensweisheit, Zeitgeist und Fakten – und fertig ist die Biographie!

Sicher, so würde ein Trendprodukt gemacht werden. Zum Glück ist Cash – I see a darkness keines, Reinhard Kleist sei Dank!

Der Zeichner geht mit hartem, aber sehr feinem und kontrolliertem Strich zu Werke. Ganz in Schwarz und Weiß, wie es für Johnny Cash nicht anders sein könnte. Musik, Drogen, June Carter und Folsom Prison – alles, was zu Johnny gehört, ist da. Zwischen die bekannten Fakten mischen sich Untertöne, die tiefer und an den schlichten Ereignissen vorbei blicken lassen. Johnny Cash auf dem Baumwollfeld mit seinem Bruder, familiäre Szenen, die Schlussequenz, in der ein ganzes Leben rekapituliert wird.

Was Reinhard Kleist dem Leser da sehr behutsam mitteilen möchte, hat mit dem Gefühl zu tun, ein Gefangener zu sein. Immer die eigenen Grenzen sehen, gegen sie anstürmen, sie überwinden, bloß, um eine Weile Ruhe zu finden und sich eigentlich doch nicht vom Fleck zu bewegen. Cash fühlte sich eingesperrt. Zunächst im ländlich-armen Milieu seiner Kindheit, dann in seiner Ehe, zuletzt auf der Bühne und im Drogensumpf. Deshalb konnte er in Folsom Prison singen und dazugehören, obwohl er selbst niemals im Knast gesessen hat.

Als auf den letzten Seiten die Geschichte von Glen Sherley zu Ende erzählt wird – einem jungen Inhaftierten, den Cash aus dem Gefängnis in seine Show geholt hat -, ahnt der Leser einen Bruch. Cash, von der Freiheit besessen, erlebte, wie der aus Folsom befreite Sherley draußen an seiner eigenen Freiheit zugrunde ging. Vielleicht hat es geholfen, dass Cash sich zum Ende seiner Tage nicht mehr ganz so gefangen und eingegrenzt in der Welt fühlte.
Denn vielleicht gibt es Vögel, die für den Käfig geboren wurden, und Vögel, die fliegen. Und wer möchte schon in den engen Grenzen eines vergänglichen Trends gefangen sein? Reinhard Kleist offensichtlich nicht.

Cash – I see a darkness
Text und Zeichnungen: Reinhard Kleist
Carlsen, Oktober 2006
207 Seiten, Softcover, schwarz-weiß; 14,- Euro
ISBN 3551768374

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