Als ich zum ersten Mal die Ankündigung vernahm, dass bei Carlsen Comics ein Comicband mit dem Titel Bob Dylan – Revisited erscheinen wird, ging ich intuitiv davon aus, dass es sich dabei um eine gezeichnete Biografie des Künstlers handeln würde. Aber weit gefehlt, das im mittlerweile bewährten, verkleinerten „Graphic Novel“-Format des Verlages (aber in diesem Fall ausnahmsweise nicht als eine solche deklariert) vorgelegte Buch verzichtet wohltuenderweise komplett darauf, das Leben Bob Dylans nachzuzeichnen oder auch nur dessen Stellenwert für die Folk- und Rockmusik zu beleuchten.
Vielmehr liest sich Revisited als Hommage an Dylans Schöpfungen, sprich seine Lieder. Diverse Zeichner interpretieren darin dessen Songs allein auf der Basis der Originaltexte. Die Ergebnisse sind mal minimalistisch gehalten, wie Jean-Claude Göttings finstere Umsetzung von „Lay, Lady, Lay“, mal auschweifend und grafisch experimentell wie Dave McKeans Annäherung an den Song „Desolation Row“ oder abstrakt wie Lorenzo Mattottis Variante von „A Hard Rain`s A-Gonna Fall“.
Insgesamt 13 Lieder, darunter auch einige der bekanntesten wie „Blowin‘ in the Wind“ oder „Knockin‘ On Heaven’s Door“, gezeichnete Coverversionen sozuagen, sind hier verarbeitet worden. Sicherlich gibt es in diesem Zusammenhang sowohl Licht als auch Schatten zu registrieren: Während viele der Beiträge die textliche Vorlage zu einer raffinierten Interpretation verarbeiten, bleiben einige qualitativ auf der Strecke und wissen nicht so recht mit den oft tiefschürfernden Geschichten Dylans umzugehen.
Sehr gut gefällt mir aber insbesondere die ungezwungene Herangehensweise, die dieses Gesamtprojekt verfolgt. Revisited verzichtet auf einleitende Worte, ebenso auf Erläuterungen zum musikhistorischen Kontext oder zur Intention Dylans. Aber derlei Dinge vermisst man auch nicht unbedingt, denn die Comicstories sprechen für sich und stehen als bildhafte Hommage sehr gut alleine da.
Im Übrigen hat man vor jeder Story den jeweils zugrundeliegenden Songtext abgedruckt, sowohl in englischer Sprache als auch in deutscher Übersetzung. Das ist für das Verständis sicherlich nicht unwichtig. Leider funktioniert die deutsche Übersetzung innerhalb des Comicplots aus meiner Sicht oft nicht besonders toll. „Ich glaub ich klopf ans Himmelstor“ hört sich eben nicht so flüssig an wie „I feel like I’m knockin‘ on heaven’s door“. Allerdings lässt sich ein gewisser Stimmungsverlust bei der Übertragung in eine andere Sprache wohl kaum vermeiden. Nur bei harmonischen, ausgefeilten Liedtexten fällt es offensichtlich stärker ins Gewicht.
Abschließend muss man Bob Dylan – Revisited zwingend jedem langjährigen Fan des Musikers ans Herz legen, zumal die in Bilder verpackten Umsetzungen altbekannter Lieder wesentlich mehr Spaß machen dürften, wenn man mit der Materie bereits vertraut ist. Zum anderen finden aber auch Laien in diesem Band eine unterhaltsame Einführung in das Schaffen Bob Dylans und nebenbei einige interessante Comics namhafter Zeichner.
Bob Dylan – Revisited
Carlsen, Oktober 2010
diverse Autoren und Zeichner
112 Seiten, farbig, Hardcover, 16,90 Euro
ISBN: 978-3-551-77807-9
Unverkrampfte Hommage an die Folk-/Rocklegende mit überwiegend gelungenen Comicbeiträgen
Abbildungen: © Editions Delcourt, Carlsen Verlag