Greg Capullo ist vor allem durch seinen 80 Hefte andauernden Job als Zeichner von Todd McFarlanes Serie Spawn bekannt. Nachdem er einige Jahre vor allem im Videospielbereich aktiv war und nur wenige Comics zeichnete, ist er seit 2011 wieder voll im Geschäft. Seit dem DC-Neustart mit „The New 52“ zeichnet er die Serie Batman, geschrieben von Scott Snyder, die die meistverkaufte unter den neuen DC-Serien ist. Im Oktober war der Zeichner auf Signiertour in Deutschland unterwegs. Bei dieser Gelegenheit traf ihn Stefan Svik während einer Signierstunde in Hannover.
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Der extrovertierteste Comic-Zeichner, den ich bisher getroffen habe: Greg Capullo! Während der Signierstunde in Hannover springt er immer wieder von seinem Stuhl auf, „würgt“ Fans, massiert einem verschüchterten Mann den Rücken, damit dieser sich etwas entspannt und wird mit Bat-Muffins und Bier beschenkt, die er auch voller Stolz auf seinem viel genutzten Twitter-Account ausstellt. Den ersten 100 Besuchern schenkte Capullo obendrein einen signierten Batman-Druck. Eine der besten Signierstunden, die ich bislang erlebt habe, mit einem echten Entertainer!
Comicgate: Du kommst gerade aus Essen von der Comic Action 2012. War diese Messe sehr anders als ähnliche Veranstaltungen in den USA, wie etwa die New York Comic Con?
Greg Capullo: Was die Größe betrifft, sicherlich. In Essen war es wesentlich kleiner. Die Comic Con in New York ist ein Riesenspektakel. Man kann dort nicht mühelos flanieren. Essen war viel kleiner als die Messen, die ich in New York gewohnt bin.
Ich mag Deine Zeichnungen für Spawn und Haunt sehr gerne. Momentan wirst Du aber sicherlich vor allem auf Batman angesprochen, richtig?
Das stimmt. Batman ist auf der ganzen Welt beliebt, jeder mag Batman, richtig?
Das stimmt. Wie kam es zu Deiner Arbeit an Batman?
Ich habe, wie Du bereits erwähnt hast, an Haunt gearbeitet. Es hat mir viel Spaß gemacht, mit Robert Kirkman zusammenzuarbeiten, der mit The Walking Dead zu Ruhm gelangt ist, aber Haunt war ein Comic, der von Beginn an von den Kritikern verrissen wurde, schon bevor überhaupt das erste Heft erschien. Als es dann veröffentlicht wurde, hagelte es noch mehr schlechte Kritiken, es wurde als „Spidey-Spawn“ bezeichnet, es sei „nichts eigenständiges darin“, man hätte „so lange gewartet, dass Todd McFarlane etwas Neues erschafft, und dann war es lediglich redundant“. Wie auch immer, diese Kritik gemischt mit dem völligen Fehlen jeglicher Werbung und Promotion führte dazu, dass sich die Serie nicht sehr gut verkaufte. Außerdem habe ich kürzlich geheiratet und habe jetzt einen Stiefsohn, den ich durchs College bringen muss, also sagte ich mir: Ich muss jetzt etwas für meine Karriere tun. Also sagte ich Todd, dass ich ihn nach so vielen Jahren der Zusammenarbeit verlassen müsse.
Marvel und DC wussten somit, das ich nun verfügbar war. Marvel hatte mich seit vielen Jahren haben wollen und schickte mir jährlich einen neuen Blanko-Vertrag zu. Sie boten mir Avengers vs. X-Men an. Bei DC Comics hieß es, man könne mir nicht sagen, worum es genau geht, aber es hätte mit Batman zu tun. Ich antwortete: „Ihr müsst mir schon etwas mehr verraten, denn Marvel bietet mir das hier an.“ Also liess mich DC eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen und sie teilten mir mit, dass sie Batman neu starten wollten. Nach zwei Monaten nächtlichem Brüten und Haareraufen (er nimmt sein Baseball-Cap ab, zeigt sein schütteres Haar und grinst dabei) sagte das kleine Kind in mir: Du musst Batman machen! Und ich bin froh, dass ich es gemacht habe! Avengers vs. X-Men ist sehr cool und so, aber Batman ist eine weltweite Ikone und wird nicht so schnell verschwinden. Es ist ein Phänomen, das mich überleben wird. Also war ich glücklich, dass ich mich dafür entschieden habe. So kam ich zu meiner Verpflichtung für Batman.
Wie bereitet Dich DC auf Deine Arbeit für Batman vor? Gibt man Dir ein großes Batman-Lexikon oder so was ähnliches?
Als jemand (räuspert sich), ähem, der lange nicht mehr in diese Sorte Comics geschaut hat, brauchte ich Quellenmaterial. Also schickten sie mir Zeichnungen, die zeigen, wie die Figuren aussehen, und zeigten mir das Design des neuen Batman-Kostüms, das ich allerdings noch weiter verändert habe. Ich lege nicht so viel Wert auf den Rüstungscharakter, den Jim Lee entworfen hatte. Vieles wurde mir überlassen, zum Beispiel wurden für „The New 52“ alle Helden verjüngt und meine einzige Vorgabe war: Bruce ist jetzt zwischen 30 und 32 Jahre alt. Ich hatte viel Freiraum. Es gab also nicht viele Einschränkungen und Vorgaben.
Wenn Du bei Batman so viele Freiheiten hast, kannst Du dann einfach so neue Figuren erfinden, wenn Du das möchtest?
Nun, das habe ich ja getan. Wir haben den Talon erschaffen. Ich habe ihn, zusammen mit Scott (Snyder) für „The Court of Owls“ [„Der Rat der Eulen“, Titel der ersten Batman-Storyline von Snyder und Capullo] erfunden. Bislang haben wir noch keine weiteren Figuren erdacht, vom Rat der Eulen mal abgesehen. Ja, wir haben viele Freiheiten! Wenn man mit etwas Neuem daherkommt, das DC Geld einbringt, wird DC diese Neuerfindung mit Handkuss nehmen.
Hast Du Probleme mit einer Art Zensur von DC?
Das hängt wohl davon ab, an welcher Stelle der Hackordnung man sich befindet. Scott und ich arbeiten an der Serie, die sich zur Zeit am besten verkauft, deshalb bin ich mir sicher, dass sie uns momentan gewähren lassen. Der Verlag gängelt uns nicht, denn wir erwirtschaften Einnahmen für ihn. Natürlich kann ich keine nackten Frauen in Wayne Manor paradieren lassen oder zu brutale Morde in die Geschichten einbauen. Solange man sich im gesunden Rahmen bewegt, gibt es keine Einschränkungen.
Wenn ich mir das Cover von „The Court of Owls“ ansehe, erinnert es mich an Frank Miller. Ein Blick ins Buch wiederum lässt mich an Todd McFarlane denken. Welche Zeichner haben Dich beeinflusst?
Todd überhaupt nicht. Er hat viele meiner Zeichnungen getuscht, deshalb denken manche Leute, mein Stil würde aussehen wie seiner. Frank Miller? Ich mag seinen „Dark Knight“, aber auch in diesem Fall würde ich sagen, dass er mich nicht beeinflusst hat. Meine Einflüsse waren Mort Drucker, Chuck Jones. Meine frühester Einfluß aus den Comics war John Buscema. Und John Romita Junior, das sind meine größten Einflüsse beim Zeichnen.
Eine Szene in „The Court of Owls“, in der ein Mann mit einer Vielzahl von Messern getötet wird, wirkt auf mich reichlich brutal. Das erinnerte mich an Filme wie Sieben und Saw. Erwarten die Käufer von Erwachsenen-Comics diese heftige Gewalt?
Das ist die Idee des Autors. Ich weiß, dass Scott eine Vorliebe für Horror hat. Das alles kommt also von ihm. Ich denke nicht, dass es seitens des Verlags Äußerungen gibt wie: „Gebt uns mehr Blut“ oder „Gebt uns mehr Gewalt!“ Wenn überhaupt, dann heisst es: „Das müsst ihr etwas entschärfen, es darf nicht zu extrem sein!“ Die Gewalt im Comic kommt einfach von Scotts Begeisterung für das Horror-Genre.
Dieses Jahr gab es diese schreckliche Tragödie bei der Premiere des Films The Dark Knight Rises in Aurora, USA. Hat das Deine Arbeit an Batman beeinflusst?
Nein, überhaupt nicht. Es gibt einfach auf der ganzen Welt verrückte Menschen. Man sollte sich nicht vom Weg abbringen lassen, nur weil Geistesgestörte davon beeinflusst werden könnten. Das war einfach nur ein gestörtes Individuum. Natürlich tun mir die Angehörigen der Opfer dieser Tragödie leid, aber der Vorfall hat unsere Arbeit nicht besonders verändert.
Es gibt im Comic eine Szene, in der sich Batman beinahe in eine Eule verwandelt. Das hat mich an die Zeichnungen in Spawn und Haunt erinnert. Ist das der Look, den Du gerne für Batman hättest?
Das hat sich einfach aus der Geschichte heraus ergeben. Batman steht unter Halluzinogenen, das gab mir die Gelegenheit, die Dinge etwas durcheinander zu wirbeln. Ich zeichne so, wie ich eben zeichne, und nachdem ich an einigen düsteren Comics gearbeitet habe, passt das vielleicht eher zu mir? Aber ich habe mit X-Force angefangen, das ist ein typischer Superheldencomic. Ich betrachte mich selbst vor allem als Illustrator. Was immer ich zeichnen soll, das zeichne ich. Wenn ich Bambi im Wald beim Herumtollen zeichnen soll, dann zeichne ich eben Bambi im Wald beim Herumtollen. (Wir lachen beide). Wenn es etwas Düsteres ist, dann setzte ich das zeichnerisch um. Was auch immer der Job erfordert, ich setze es um.
Wie ist Deine Arbeitstechnik? Verwendest Du den Computer sehr häufig?
Nein, einen Computer benutze ich nicht sehr oft. Ich zeichne traditionell, mit dem Bleistift. Meine Cover tusche ich eigenhändig. Ab und zu füge ich Elemente am Computer hinzu. Überwiegend arbeite ich aber von Hand. Für das Cover von Heft 12 von „The Court of Owls“ habe ich eine digitale Zeichnung mit Coral Painter gestaltet.
Ich finde, dass diejenigen, die Christopher Nolans Batman-Trilogie mochten, es leichter haben, in Ihre Comics einzusteigen, weil sie näher am Film-Look sind. Bei den Zeichenstilen von Frank Miller oder Neal Adams wäre es wohl schwieriger, hineinzufinden, wenn man nur die Filme kennt. Sehen Sie das genau so?
Das weiß ich wirklich nicht. Ich weiß nur, dass zahlreiche Fans zu mir kommen und mir sagen, das sei der beste Batman seit 20 Jahren. Ich würde nicht so weit gehen und von mir selbst behaupten, dass meine Arbeit die beste ist, aber die Fans lieben sie. Für mich bedeutet das, dass mein Batman wohl für sehr viele Menschen zugänglich ist. Dafür bin ich einfach dankbar.
Woran arbeitest Du als nächstes?
Momentan arbeite ich an einer Joker-Geschichte, die sehr, sehr gruselig ist. Viel gruseliger als „The Court of Owls“. Danach kehren wir zur Origin-Story zurück und beleuchten Batmams Anfänge. Anschließend arbeitet Scott an einer Riddler-Geschichte. Bislang gab es keine Origin-Story vom Riddler, noch nicht mal DC weiß, woher diese Figur kam.
Vielen Dank für das Interview. Viel Spaß in Deutschland!
Gern geschehen. Ich genieße es sehr, in Deutschland zu sein.
Abbildungen: © DC Comics, Greg Capullo
Fotos: © Stefan Svik