Die große Kunst bei der Schaffung von Comics liegt darin, Lücken zu füllen. Und damit sind die Lücken zwischen den Bildern gemeint. Erst durch den Lesefluss des Betrachters werden die Bilder inhaltlich miteinander verknüpft und im Kopf des Lesers entsteht nicht nur eine zusammenhängende Story, sondern auch eine Dynamik, die im Kopf einen Film ablaufen lässt. Die Kunst der Schöpfer besteht unter anderem darin, Story und Dynamik adäquat zu gliedern. Warum diese allgemeine These, die eher zu einer theoretischen Abhandlung zu Comics gehört, hier in einer Rezension steht? Weil diese Lücken im ersten Band der Reihe Die Korsaren der Alkibiades einen Tick zu groß geworden sind. Es holpert und stolpert an allen Ecken und Enden, wie eine Dampflok, die zu wenig Holz als Antrieb zu fressen bekommt.
Das ist insofern erstaunlich, da mit Eric Liberge und Denis-Pierre Filippi nun wirklich keine Neulinge am Werk sind. Liberge ist zu Recht mit seiner Serie Unter Knochen berühmt geworden und Filippi ist als Szenarist der Comics Träume, Ethan Ringler, Das Buch von Jack und Das Buch von Sam bekannt. Woran diese Holprigkeit nun liegt, kann nicht mit Sicherheit festgelegt werden. An Lustlosigkeit und damit verbundener Schlampigkeit jedenfalls nicht, dafür sind die Zeichnungen viel zu detailliert und filigran ausgefallen. Manchmal sind die Panels sogar mit Details überfrachtet, so zum Beispiel an den Stellen, die in einem Labor spielen. Da verliert der Betrachter schon mal den Überblick. Die Panelanordnung an sich ist sehr dynamisch ausgefallen: Panorama- und Actionelemente werden in halbseitigen Panels gut zur Geltung gebracht. Wenngleich die Auswahl der Bilder manchmal erstaunt. So hätte man das große Bild einer Flucht auf Seite 41 durchaus gegen jedes andere auf der Seite tauschen können, das in einem größeren Format effektiver gewesen wäre.
Inhaltlich läuft es ähnlich paradox ab. Es passiert viel und gleichzeitig nichts. Die Steampunk-Geschichte berichtet von einem Auswahlverfahren von Elitejugendlichen, die für einen Geheimdienst geworben werden sollen. Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Der ganze Band handelt von Tests, Finten und Fallen und die eigentlich spannenderen Aspekte, nämlich die Geheimdienstarbeit, kommen erst auf der letzten Seite vor. Das hinterlässt den Leser ziemlich unbefriedigt. Als wenn Rocky den ganzen Film über trainiert und der eigentliche Boxkampf nicht mehr gezeigt wird. Es werden viele Fragen gestellt und kaum welche beantwortet.
Das kann durchaus die Phantasie anregen, aber in diesem Fall ist es nur frustrierend. Bedrohungen verpuffen im Wasserdampf, da sie eh nur wieder ein Test waren und die Story weist ziemlich große Lücken auf. Der Zeitsprung von Seite 29 auf Seite 30 ist zum Beispiel nicht nur überflüssig, sondern auch unlogisch. Die Befreiungsversuche an dieser Stelle hätten auch mehr Dramatik verdient gehabt. Allein dass man nicht erfährt, wie und warum die fünf Hauptcharaktere sich überhaupt dazu entschließen, dem Geheimdienst beizutreten, ist ein großes Manko. Ihre Vergangenheit wird ziemlich im Dunkeln gelassen und die außerordentlichen Fähigkeiten, die sie für den Geheimdienst interessant machen, werden leider viel zu kurz und stiefmütterlich behandelt. Es wird auch viel an Spannung verschenkt, zum Beispiel wenn der Diebstahl einer Waffe ganz nebenbei abgehandelt wird. Die Geschwätzigkeit tut noch ihr übriges dazu. Hier wäre weniger mehr gewesen.
Insgesamt ist der Band nicht mehr als solides Stückwerk, welches über gute Ansätze nicht hinauskommt. Der Funke will nicht überspringen. Und das obwohl Profis am Werk waren.
Die Korsaren der Alkibiades 1 – Geheime Eliten
Ehapa Comic Collection, September 2010
Text: Denis-Pierre Filippi
Zeichnungen: Eric Liberge
Hardcover, 48 Seiten, farbig; 13,95 Euro
ISBN: 978-3-7704-3360-5
Eine recht holprige, verwirrende und viele Fragen aufwerfende Abenteuergeschichte, die den Leser nicht sonderlich packt.
Abbildungen © Splitter Verlag