Rezensionen

Daddy

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Cover DaddyAuf dem Frontcover der Rücken eines Mannes, auf dem ein weinender Jesus am Kreuz martialisch eingeritzt wurde, auf dem Backcover eine kleine Skizze, die einen Priester zeigt, der einem gebückten Kind sein Glied entgegenstreckt. Keine Frage, das neueste Comicalbum von Matthias Schultheiss ist nichts für zarte Gemüter. Einige Menschen würden es gar als geschmacklos bezeichnen, denn was der deutsche Ausnahmekünstler hier vorlegt, geht weit über sanfte Kirchenkritik hinaus. Schultheiss zündet nichts weniger als ein blasphemisches Feuerwerk.

Gott hat Jesus zurück auf die Erde geschickt, damit er ihm die Gläubigen zuführt. Nur hat dieser einfach keinen Bock mehr, erneut den Märtyrer zu spielen und möchte den Menschen, insbesondere den Kindern, lieber auf seine Art helfen. Zur Strafe wird er von Gott geblendet und lebt als blinder, fetter Junkie auf der Straße, ohne dass jemand seine Identität kennt. Zur Seite gestellt wurde ihm von Gott ein Führer aus der Hölle, ein kleiner Gnom mit Narrenkappe, unverkennbarem Schnauzbart und Seitenscheitel, der fortan Jesu bester und einziger Kumpel wird und die Drogen für ihn ranschafft. Dass es sich bei diesem Gefährten um die Reinkarnation von Adolf Hitler handelt, wird im Comic zwar nie explizit erwähnt, liegt aber auf der Hand.

Seite aus DaddyGarth Ennis überzeichnete seinen Jesus erst vor kurzem in Die Chroniken von Wormwood als schwarzen, leicht debilen Typ mit Dreadlocks, der sich zusammen mit dem Antichrist dem Plan ihrer Väter widersetzte. Matthias Schultheiss‘ Version steht dem von seiner Radikalität her in nichts nach. Dabei ist Daddy kein blinder Rundumschlag oder der Versuch einer größtmöglichen Provokation, sondern ein gezieltes Aufrütteln. Das Album überspitzt, parodiert und geht eigentlich auf jeder Seite über die Grenze des guten Geschmacks hinaus.

Doch es wirft auch Fragen auf. Über die Rolle des Vatikans, über die Missbrauchsskandale oder über den veralteten Missionierungsgedanken des Christentums in unserer modernen Gesellschaft. Allerdings muss auch nicht jeder auf Religion beruhende Comic als reine theistische Diskussionsgrundlage herangezogen werden. Von daher kann man Daddy auch einfach als ein sehr unterhaltsames, eindringlich gezeichnetes Comicwerk betrachten.

Schultheiss beweist nach seinem Comeback im Jahr 2010 mit Die Reise mit Bill erneut, dass er einer der ganz großen deutschen Künstler ist.

 

Wertung: 8 von 10 Punkten

Ein faszinierendes Album, provozierend und souverän erzählt

 

Daddy
Splitter Verlag, Oktober 2011
Text und Zeichnungen: Matthias Schultheiss
72 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 15,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-442-0
Leseprobe

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Abbildungen © Matthias Schultheiss/Splitter