Penner
Obdachlosigkeit bleibt uns wahrscheinlich sehr fremd, bis wir selbst direkt davon betroffen sind. Es gibt fast keine obdachlosen Comickünstler und so schreibt und zeichnet auch Newcomer Christopher Burgholz (Jahrgang 1988) letztlich, trotz Recherche vor Ort in seinem Wohnort Münster, eine Geschichte aus zweiter Hand – ist diese Distanz Manko oder Chance?

Annette Köhns Comic-Debut beginnt wie eine Liebeserklärung an die Macht der Fantasie: Die kleine, stets unter strenger Bewachung stehende Prinzessin Elly lässt sich während einer Operngala von einem kleinen Drachen entführen. In der Drachenhöhle angekommen erzählt der Drache mit dem Namen Leto der Prinzessin, dass ihre Begegnung früher sicher weniger sanft verlaufen wäre.
Drogen also wieder. Am Anfang des Comics packt eine junge Frau zwei Tütchen Stoff sachgerecht in ein Kondom, um es sich sogleich auf der Toilette heimlich vaginal einzuführen. Dann verabschiedet sie sich noch von ihrem Freund – „Vergiss nicht, die Pflanzen zu gießen“ – und verlässt die Wohnung in Richtung Flughafen für einen Kurzurlaub nach Krakau.
Der Berliner Jaja-Verlag hat letztes Jahr neben seinen Comicbüchern auch sehr schöne Bilderbücher herausgebracht, von denen hier einige kurz vorgestellt werden sollen. Wer sich für eine weitere Beschäftigung mit diesen jungen Talenten interessiert, sollte auch deren jeweilige Webseiten besuchen, die in den einzelnen Besprechungen verlinkt sind. Ansehen lohnt sich.
Mindestens eine Sekunde ist der Titel des ersten Comicbuchs der Grafikdesignerin Paulina Stulin. Es geht darin um die deutsch-polnische Kunststudentin Agnieszka, die ihr Studium an der Kunsthochschule in Krakau aufnimmt, nachdem sie von der École des beaux-arts in Paris abgelehnt wurde. Das ist vor allem für Agnieszkas Mutter eine gewöhnungsbedürftige Vorstellung, definiert diese ihr Leben doch vor allem dadurch, dass sie dem Osten entfliehen und in Deutschland eine eigenständige und unabhängige Existenz aufbauen konnte. Und nun sollte die Tochter in den Osten zurückkehren?