Tokyo Punk ist das zur Messe „Heftich“ Ende 2005 erschienene Magazin der Initiative Comic Kunst e.V. (INC). Der Grundgedanke: deutsche Undergroundzeichner versuchen sich an Manga.
Das zuerst auf ein Heft geplante Heft wurde im letzten Moment auf zwei Teile aufgesplittert, da die Anzahl der Beiträge zu groß wurde. Nun sind es insgesamt 128 qualitativ und stilistisch sehr unterschiedlicheSeiten geworden.
Der originelle Name mit Anspielung auf einen deutschen Mangaverlag macht einen sympathischen ersten Eindruck – Witteks Cover mit den etwas eklig anmutenden zerlaufenden Spiegeleieraugen, das auch auf dem „Heftich“-Plakat abgebildet war und ja eigentlich zum Kauf anregen soll, wirkt dem allerdings entgegen. Pattsituation. Im Heft selber erfährt dann der Manga-Laie, dass eine Illustration von Suehiro Maruo aus „Planet of the Jap“ Vorbild war, die auch abgebildet wird. Okay, Versöhnung. Der Manga klingt interessant.
Wenn man sich die zwei Hefte durchgelesen hat, dann bleibt vor allem erstmal ein Eindruck zurück: hier gingen wohl Leute mit völlig unterschiedlichen Ansprüchen an's Werk. Das Vorwort lässt Vorfreude aufkommen, und das Interview mit dem seit 1998 in Hamburg lebenden japanischen Zeichner Kenichi Kusano fand ich hochinteressant. Seine Sicht und Informationen zu Manga und deutschen Comics enthalten sehr interessante Fakten, Ansichten und Anregungen. Überzeugend ist auch sein 12-seitiger Beitrag zu Tokyo Punk, den man sicherlich nicht als „typischen Mangastil“ bezeichnen würde. Und auch wenn er inhaltlich etwas … anders ist, so ist doch die Detailfülle und die Experimentierfreude beeindruckend.
Umso deutlicher unterscheiden sich dann andere Beiträge davon. Es scheint, als ob vorher nicht so ganz klar war, ob Tokyo Punk nun tatsächlich eine Auseinandersetzung mit Mangaelementen werden sollte oder eher ein albernes Spaßprojekt, bei dem man sich über Mangaklischees lustig macht und einfach mal ein paar große Augen in eine sinnfreie Aneinanderreihung von Bildern reinzeichnet, um thematisch zum Magazin zu passen. So gibt es also beide Arten, und einige Beiträge kommen einem einfach nur hingerotzt und schnell zusammengeschludert vor. Das irritiert dann doch erheblich in Anbetracht der engagiert wirkenden redaktionellen Arbeit.
Ein positives Beispiel, dass man das Ganze nicht allzu ernst nehmen braucht, aber der Leser trotzdem noch seinen Spaß dran hat und sich nicht veralbert vorkommt, ist Ans de Bruins „The Evil Part“. Zwar wirken die Seiten etwas überladen durch den dicken Strich, aber ihr Humor macht Laune und scheint eine Richtung zu haben, der manch anderen Arbeiten fehlt. Und wer sich ein wenig auskennt in der deutschen Kleinverlagsszene, der bekommt noch ein paar Leckerlis serviert von ihr.
Besonders hervorzuheben ist in meinen Augen noch Mischa mit „Eine Jungle-Geschichte“, bei der ich zwar irgendwann keinen Faden mehr gefunden habe, die mir aber zeichnerisch gut gefallen hat, und die schönen Illustrationen von Simone Kesterton, die immer mal wieder verstreut auftauchen, aber leider etwas unter dem Kopierformat leiden. Einen klassisch-fiesen Godzilla zauberte Maikel Das herbei, und von Alphatier, der geplanten Eigenproduktion der Alligator-Farm, bekommt man einen ersten (inhaltlich aber nicht sehr aussagekräftigen) Eindruck.
Die Harry-Potter-Hommage (nennen wir es mal so) von Till Laßmann und „Die Taktik der zwei Tannenzapfen“ (Olli Ferreira und René Roggmann) haben durchaus auch ihren Charme.
Insgesamt nicht Fisch, nicht Fleisch. Eine innovative Idee, bei der einiges verschenkt wurde, bei der es aber auch einige Neuentdeckungen gab. Eine inhaltlich einheitlichere Form hätte dem Projekt gut getan. Nicht, dass sinnlose Comics keine Existensberechtigung hätten – aber nach der Werbung und dem Vorwort hatte zumindest ich mir etwas anderes versprochen, und so war ich mitunter ein wenig enttäuscht ob der Möglichkeiten, die man erahnt hat, die aber teils nicht wahrgenommen wurden.
Sicherlich sind die insgesamt 128 Seiten dank ihrer Highlights aber die 6,- Euro allemal wert.
Zu bestellen im Freibeutershop, dem Onlineshop für die Comics der Kleinverlage.
Tokyo Punk!
Initiative Comic Kunst e.V. (INC)
128 Seiten (verteilt auf 2 Hefte), schwarz-weiß, DIN A5, kopiert; 6,- Euro