Gerard Way war in Comic-Kreisen bislang eher ein Unbekannter. Jetzt dreht der Sänger der Band My Chemical Romance ganz gut auf. Seine neu gestartete Serie The Umbrella Academy war ein Überraschungshit bei den Eisner Awards. Und das ganz zu Recht.
Als treuer Comic-Leser ist man sich im tiefsten Inneren seines Herzens der traurigen Tatsache bewusst, dass circa fünfundneunzig Prozent der Hefte, Alben und Trades, die man liest, irgendwo zwischen den Kategorien Schrott, Mist, Langweilig oder Geht-so rangieren. Das ist nichts Comic-Spezifisches, das gibt es überall, in der Musik, in der Belletristik, im Film, eben überall.
Unterhalten wir uns also über die verbleibenden fünf Prozent. (Gut, vielleicht sind es auch sechs, wer weiß…) Sie machen den Kern der Sache aus. Es sind Comics, die sich von den anderen durch irgendeine Qualität oder Originalität abheben, dass man sie immer wieder liest, zitiert und kopiert. Wer diesem Text bis hierhin gefolgt ist, wird bemerkt haben, dass es mir nur schwer fällt, meine Begeisterung im Zaum zu halten. Denn es passiert höchstens ein- oder zweimal im Jahr (jedenfalls äußerst selten), dass man einen Comic liest, der so elegant und effektsicher ist, dass er den Leser von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann zieht. Die Rede ist vom ersten Band der Umbrella Academy, jüngst erschienen bei Cross Cult.
Dabei ist das Cover eher langweilig, weiß, schlicht, eine Frauenfigur, die Geige spielt und deren Körper einem Kontrabass entlehnt ist. Noch halten meine Synapsen Winterschlaf. Der Klappentext reizt mich noch immer wenig. Es geht um eine Familie von Superhelden, genauer: um sieben Kinder, die von einem Multimillionär adoptiert wurden und die sich im Erwachsenenalter zerstritten haben. Jetzt droht der Weltuntergang, und sie müssen ihren alten Zank vergessen und sich wieder zusammenraufen. Kampfroboter fliegen durch die Gegend, der Eifelturm läuft Amok und ein Meteorit ist auf Kollisionskurs mit der Erde. Die Umbrella Academy muss helfen! Kinder mit Superkräften, das ist irgendwie Akira, vielleicht auch Teen-Titans, meinetwegen ein wenig Batman, die Welt geht unter, ach ja, mal wieder, danke, hatten wir schon.
Aber die Überraschung gehört zum Lesen dazu. Und sie war groß. Als erstes aufgrund des Artworks. Denn Zeichner Gabriel Bá ist phantastisch, so nah an Mignola, dass man sich ab und zu fragt, ob nicht Hellboy gleich ins Panel gesprungen kommt. Auch ein bisschen Eduardo Risso mag man finden, auf jeden Fall herrlich klare, verspielte Linien, mutige Schwarzflächen und Liebe zum Detail ohne Überfrachtung. Ein weiterer Höhepunkt sind die Cover, gezeichnet von James Jean, der auch für die Cover von Fables verantwortlich zeichnet, damit schon diverse Eisner-Awards abgeräumt hat und wohl der beste Cover-Illustrator ist, den man derzeit für derart phantastisch-verträumte Projekte bekommen kann. (Die weiße, nüchterne Frontdame gehört nicht dazu.)
Und die Story? Mehr als die Andeutungen oben gebe ich nicht preis. Denn: Der Clou der Weltuntergangs-Suite ist nicht der Plot, der ließe sich in ein paar Sätzen abhandeln. Es ist die brillant verflochtene Erzählweise, die immer wieder kleine Schlenker macht, so dass man nie weiß, was auf den nächsten zwei Seiten passieren wird. The Umbrella Academy ist ein herrliches Amalgam aus Superhelden, Familiendrama, Horror, Action, Musik und Monsterszenario, eben aus so vielen Facetten unserer Popkultur komponiert, dass einmal lesen gar nicht reicht, um diese Arbeit zu würdigen. Wer auf der Suche nach Perlen im Comic-Meer ist, sollte diesen Band unbedingt ansteuern. Es könnte ein Volltreffer sein.
The Umbrella Academy 1: Weltuntergangs-Suite
Cross Cult, Januar 2009
Text: Gerard Way
Zeichnungen: Gabriel Bá
Übersetzung: Matthias Wieland
160 Seiten, Hardcover, farbig; 19,80 Euro
ISBN: 9783941248168
Abbildungen aus der dt. Ausgabe: © Cross Cult