Der Name Rich Koslowski dürfte in Deutschland weitgehend unbekannt sein, dabei ist er in den USA seit Jahren eine feste, wenn auch nicht besonders prominente Größe als Animator, Comiczeichner und -autor. Neben Arbeiten für Archie Comics, Marvel und der selbst erschaffenen Comedyserie Three Geeks, für die er 2003 den Ignatz-Preis erhielt, kreierte Koslowski auch mehrere Graphic Novels – eine davon gibt es jetzt auch auf Deutsch.
In The King geht es um einen geheimnisvollen Sänger, der sich The King nennt und im Jahr 2005 in Las Vegas vor ausverkauftem Haus als wieder auferstandener Elvis Presley gefeiert und als „Gott des Gesangs“ quasi-religiös verehrt wird. Die Hauptfigur des Comics ist jedoch Paul Erfurt, ein Zeitungsreporter auf dem absteigenden Ast. In den Siebzigern und Achtzigern hatte er für ein Revolverblatt süffige Geschichten zum Thema „Elvis lebt“ geschrieben, inzwischen will er ein seriöser Journalist sein. Jetzt ist er nach Las Vegas gekommen, um sich dem selbsternannten King zu widmen. Er will herausfinden, wer sich hinter dem Sänger, der mit einer Maske auftritt, verbirgt. Könnte es sich tatsächlich um Elvis Aaron Presley handeln?
Elvis Presley ist ja, vor allem in Amerika, weit mehr als nur ein Popstar von früher, er ist eine Legende, eine Ikone. Rich Koslowski erzählt, welche Art von Beziehungen verschiedene Menschen zu solchen Ikonen aufbauen. In The King geschieht das, indem wir an Erfurts Recherchen teilhaben. Er interviewt nicht nur den King (dessen Aussagen stets sehr nebulös bleiben), sondern vor allem die Mitglieder seiner Entourage: Leibwächter, Bedienstete, Groupies. Sie erzählen dem Reporter ihre Lebensgeschichten, und so wird The King eine Geschichte, die auf mehreren Ebenen funktioniert: Ähnlich wie in einem Krimi begleiten wir den Reporter beim Lösen eines Puzzles, es geht aber auch um Mythos und Glauben in der Popkultur und darum, wie diese Mythen leben retten oder zerstören können.
Und nicht zuletzt ist The King eine Charakterstudie, die von Menschen und ihrem Kampf mit dem Alltag erzählt. Da gibt es melancholische und bittere Momente und einen hochdramatischen Höhepunkt, auf den die Geschichte zusteuert, es gibt aber auch etliche warmherzige und humorvolle Szenen, die dafür sorgen, dass der Stoff nicht allzu schwer wird. Auf seiner Homepage bezeichnet sich Rich Koslowski augenzwinkernd als „Comic Book Legend“ sowie als „Writer, Artist, Genius“. Das muss man so nicht unterschreiben – in jedem Fall ist Koslowski ein sehr talentierter Erzähler mit einem guten Gespür für Dramaturgie und Timing, der es versteht, verschiedenste Typen glaubwürdig zum Leben zu erwecken. Dabei hilft ihm sein markanter Zeichenstil (in schwarz-weiß mit Blautönen als zusätzliches Schattierungselement), der jeder Figur einen ganz eigenen Wiedererkennungswert gibt.
Die deutsche Ausgabe bei Edition 52 erscheint in einem kleinformatigen, dicken Taschenbuch, guter Übersetzung und einem kleinen Anhang mit Skizzen und Anmerkungen. Ein Bestseller wird sie wohl nicht werden – Koslowskis Thema ist schon sehr in der amerikanischen Gesellschaft verhaftet. Man muss aber auf keinen Fall Elvis-Fan sein, um The King genießen zu können. Es reicht völlig aus, wenn man gerne gut erzählte Geschichten abseits der gängigen Genre-Konventionen liest.
The King
Edition 52, Mai 2008
Text und Zeichnungen: Rich Koslowski
226 Seiten; 17,- Euro
ISBN: 978-3935229593
The King © Rich Koslowski, der dt. Ausgabe 2008: Edition 52