Wenn Krimis in Zeitgeschichte platziert werden und dann auch noch vor einem exotischen Hintergrund spielen, kann sich der dem Genre zugeneigte Leser kaum noch dem Stoff entziehen. Autor Didier Quella-Guyot bündelt also mit seiner Grundidee viele verschiedene Interessen. Er erzählt einen klassischen Krimi, dessen Handlung vor einem realen historischen Ereignis spielt, welches sich auf Tahiti ereignete (das als Schauplatz für den exotischen Reiz sorgt).
1914 leben auf der französischen Kolonie Tahiti Europäer unterschiedlicher Herkunft und gehen dort entweder ihren Geschäften nach oder sind den engen gesellschaftlichen Regeln Europas entflohen – manche auch vor ihrer eigenen Vergangenheit. Simon Combaud etwa kommt nach Tahiti, um einen Mörder zu finden und ihn seiner Bestrafung zuzuführen. Doch Combaud erliegt den Reizen der Insel und der dortigen Frauen, und bald hat er auch mit einer Mordserie an jungen Frauen zu tun. Aber dann bricht in Europa der Erste Weltkrieg aus, der auch vor Tahiti nicht Halt macht. Denn eines Morgens liegen zwei deutsche Kriegsschiffe vor Anker und eröffnen das Feuer.
Zwar bringt Quella-Guyot in seinem zweibändigen Krimi leichte Kritik am Kolonialismus unter, legt den Schwerpunkt aber auf die Figuren und verfällt dadurch doch einer gewissen Kolonialromantik. Die Handlung an sich ist ihm weniger wichtig als die gelungen eingefangene Stimmung, und das lässt alle Kritik am Kolonialismus nicht nur in den Hintergrund treten, sondern sie auch etwas scheinheilig erscheinen, da man sich während des Lesens an die Position der Figuren wünscht. Man möchte auch auf dieser Insel leben und dem süßen Treiben trotz aller Missstände frönen. Insofern ist der Autor gewissermaßen in eine Falle getappt.
Durch den Fokus auf Stimmung und Umfeld zieht sich die Handlung denn auch etwas hin. Zwar ist die Kriegssequenz recht spannend, aber gerade die Krimihandlung ist erstaunlich lieblos ausgeführt und dient erkennbar nur als Gerüst, um eine reale historische Gegebenheit nachzuerzählen. Doch die Auflösung des Kriminalfalls gerät gegen Ende dann doch erstaunlich und ungewöhnlich: Sie überrascht durch ihre Realitätsnähe, was für an Genrekonventionen geschulte Augen etwas enttäuschend sein könnte. Denn die „Helden“ arbeiten rein deduktiv und überlassen das Handeln anderen. Ähnlich wie ein Kommissar, der nach seinen Ermittlungen den Haftbefehl ausstellt und dann nichts mehr mit der ganzen Angelegenheit zu tun hat.
Wie der Inhalt ist auch der optische Stil von Sebastien Morice etwas durchmischt. Einerseits sind deutlich klassische Einflüsse der Ligne Claire zu erkennen, wobei andererseits die Farbgebung diesem Stil widersprechen. Die Zeichnungen werden durch die Kolorierung bisweilen deutlich verfremdet und wirken so sehr modern. Oder unentschieden, je nachdem – was dann wieder sehr gut zum Inhalt passt.
Wertung:
Zweiteiliger Krimi in exotischen Kulissen vor realem historischen Hintergrund, der leider in die Falle der Kolonialromantik tappt.
Tatort Tahiti 1914
Spliiter Verlag
Text: Didier Quella-Guyot
Zeichnungen: Sebastien Morice
Übersetzung: Tanja Krämling
je 14,80 Euro
Band 1: Roter Strand
März 2013
72 Seiten, farbig, Hardcover
ISBN: 978-3-86869-576-2
Leseprobe
Band 2: Blauer Horizont
August 2013
56 Seiten, farbig, Hardcover
ISBN: 978-3-86869-577-9
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag