Rezensionen

Supreme Power 3

Der Autor J.M. Straczynski (Babylon 5) und der Zeichner Gary Frank hatten mit ihrem zwölfteiligen Mystery-Comic Midnight Nation (dt. im Infinity-Verlag) hervorragende Arbeit geleistet. Frank ist seitdem auf meiner persönlichen Lieblingszeichnerliste ganz weit oben.
Grund genug, mein Misstrauen gegenüber Superheldencomics zurückzudrängen und mich an eine weitere Kooperation von ihnen zu wagen. Und die ist selbst für Superman-Skeptiker so gut gelungen, dass ich auch bei Sammelband 3 immer noch dabei bin.

Ein Junge mit übernatürlichen Kräften wächst bei Pflegeeltern auf und rettet als Erwachsener die Welt – bzw. zumindest die USA, denn für diese Regierung ist unser Protagonist tätig. 
Wem kommt diese Geschichte nicht zum großen Teil bekannt vor?
Kein Wunder, ist Marvels Hyperion doch das Gegenstück zu DCs Superman. Die Superkräfte wie Unverwundbarkeit, gesteigerte körperliche Kraft, Schnelligkeit, Reflexe u.ä. ähneln sich ebenfalls deutlich. Dabei ist Supreme Power nicht die erste Serie, in der Hyperion auftaucht. Seine Figur wurde schon des öfteren bei Marvel behandelt.

Bürgerlich heißt unser Held Mark Milton. Supreme Power erzählt von einem Superhelden, der eine Sinnkrise erlebt. Er wurde von der US-Regierung, für deren Aufgaben er seit Kindheitsbeinen an geformt wurde, ob seiner außerirdischen Herkunft belogen. Nun will er nicht mehr als das willenlose Werkzeug einer Regierung benutzt werden und steigt kurzerhand aus – die Jagd beginnt. Man will ihn unbedingt zurückhaben.

Mark ist auf der Suche nach einem Sinn im Leben, nach dem Grund für sein Dasein auf der Erde.  Wie sehr erträgt man selber und die normalen Menschen die Wahrheit? Wie viel Macht kann jemand haben, bevor er größenwahnsinnig wird? Wie groß sind die Verlockungen dieser Macht, der sich niemand entgegensetzen kann?

Glaubhaft erzählt Straczynski von der Zerrissenheit und den Zweifeln, von dem Kampf um ein normales Leben und der Ausgrenzung, die man als ein von der Norm Abweichender erlebt.
Zwischendurch blitzen auch gerne und immer mal wieder allgemeine gesellschaftskritische Ansätze durch.

Dabei wird auch die Geschichte selber vorangetrieben. Aus dem Raumschiff, mit dem Mark als Baby auf der Erde gelandet ist, wurde von der Regierung Material entfernt und damit an Menschen Versuche durchgeführt, welche dadurch ebenfalls besondere Kräfte erhalten. Dummerweise drehen einige durch, und so ist Mark mit seinen Kumpels Nighthawk und Blur auf der Jagd nach dem Massenmörder. Diese Episode, die Erkenntnis, dass skrupellose Tests an Menschen durchgeführt wurden, schürt seine Ablehnung und sein Unverständnis über das Verhalten der Regierung noch mehr. Als er immer wieder gedrängt wird, zurückzukehren, setzt er am Ende dieses Bandes ein mit einem Beispiel seiner Macht untermauertes Ultimatum: entweder er wird in Ruhe gelassen – oder die Menschheit wird die Konsequenzen davontragen müssen.

Spannend sind auch die Nebengeschichten, die alle zum großen Ganzen gehören: da gibt es Prinzessin Zarda, die dem erstaunten Mark eröffnet, dass ihnen beiden vorherbestimmt ist, die Erde zu beherrschen; und auch bei Joe, ebenfalls ein mit besonderen Kräften gesegneter Mann, der loyal in den Diensten der Regierung zu stehen schien, entwickelt sich durch sein Interesse an einer geheimnisvollen blauen Frau aus dem Meer eine sehr interessante Geschichte.
Panini bewirbt diesen Band übrigens mit „Das dritte und letzte Anfangskapitel der Squadron Supreme-Saga“.

Gary Franks Zeichnungen – falls ich es noch nicht erwähnt habe – liebe ich. Sein realistischer Stil, der dynamische Strich und die schönen Perspektiven überzeugen mich immer wieder. Besonders hervorzuheben ist, dass man seine einzelnen Männer bzw. Frauen voneinander unterscheiden kann, er hat ihnen einen Charakter gegeben. Bei anderen Zeichnern darf man die Leute ja bisweilen durch die Haarfarbe zuordnen. Dank Marvels Unterlabel Max, das in den USA für ein „reiferes“ Publikum konzipiert wurde, dürfen hier sogar Menschen nackt herumrennen und müssen nicht immer völlig ungezwungen ihre Haarstränen drapiert bekommen. Dadurch wirkt die Erzählung wesentlicher entspannter und realistischer – insofern sich das noch sinnig anhört bei einer solchen Rahmenhandlung.

Mit dem Sammelband (bzw. den insgesamt schon drei Sammelbänden) hat man auch erstmal ordentlich was zu lesen und ist nicht nach fünf Minuten durch.

So lange sich Superheldencomics auf eine Geschichte konzentrieren und nicht zum Selbstzweck geraten, lasse ich mir dieses Genre gerne gefallen. Supreme Power zeigt, wie man so etwas anstellt. Gute, kurzweilige Unterhaltung, und die Augen bekommen auch noch was ab. Prima.

Nur eins noch, liebe Panini-Redakteure: wie kommt es, dass nun „Künstler“ überall als „Autoren“ angepriesen werden, auch bei Euch? Autoren waren doch früher die, die eine Geschichte geschrieben haben, oder?

Supreme Power – Sammelband 3
MAX Marvel Deutschland (Panini)
Text: J.M. Straczynski
Zeichnungen: Gary Frank
148 Seiten, Softcover, komplett farbig; 16,95 Euro