J.J. Abrams‘ bemerkenswerter Reboot des Star Trek-Franchise geht in nicht allzu ferner Zukunft in die zweite Runde. Die Zeit bis zum nächsten Kinostreifen lässt sich indes mit einer neuen Ongoing-Serie des US-Verlages IDW überbrücken, welche die Abenteuer der jungen Crew weiterführt.
Autor Mike Johnson zeichnet für die neue Comicreihe verantwortlich, deren erste zwei Stories von Cross Cult in einem Band gesammelt wurden. Die Geschichten lesen sich angenehm und weitaus souveräner als die Comics, die rund um den ersten Film bzw. als Ergänzung zu diesem veröffentlicht wurden. Was noch dazukommt: Die beiden Zeichner Stephen Molnar und Joe Phillips gehen zwar ähnlich vor wie seinerzeit David Messina (Countdown, Nero), indem sie mit sparsamen Hintergründen operieren und die Figuren möglichst nah zu den echten Schauspielers anlegen, aber die Gesichtszüge und Perspektiven gelingen, insbesondere Molnar, zumeist besser. Damit wird der schmale Grat, die der Zwang zum Realismus bei filmischen Vorlagen mit sich bringt, zwar nicht eliminiert, aber selten auf peinliche Weise überschritten. Insgesamt passt die etwas nüchterne, spartanisch ausgestattete Kulisse natürlich gut zum Sci-Fi-Ambiente (was aber auch bei Messina schon der Fall war).
Kritischer sehe ich hingegen die Storys an sich. Mike Johnson hat sich die beiden Episoden „Die Spitze des Eisbergs“ und „Notlandung der Galileo 7“ der ersten Staffel der Original Star Trek-TV-Serie aus den 1960er Jahren herausgepickt und sie als Comic-Remake dem aktuellen Abrams-Look angepasst. „Neuinterpretation“ heißt das auf dem Backcover. Nun kann man Johnsons Comics nicht vorwerfen, dass sie schlecht gemacht sind. Im Gegenteil, Leser, die die Serie um Shatner, Nimoy und Co. nicht kennen, werden hier ihren Spaß haben. Die Stories sind größtenteils unverändert geblieben, die größte Veränderung ist das Design und das Aussehen der Akteure. Insofern geht Johnson hier einen nachvollziehbaren Weg, der die Geschehnisse des Kinofilms mit einer jungen modernen Enterprise-Crew konsequent fortführt.
Nur: Warum hat man sich die Mühe erspart, sich neue Plots auszudenken? Denn mit dem Remake der Original TV-Serie setzt man zumindest den alten Fans des Franchise im besten Fall Redundanz vor, da die Handlung ja bereits fast 1:1 bekannt ist, im schlechtesten Fall muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, man respektiere die Urserie nicht.
So ist „Die neue Zeit“ ein qualitativ kaum zu beanstandender Comic, vor allen Dingen für neue Fans des Franchise bzw. für alle, die mit Star Trek erst nach dem jüngsten Reboot in Berührung kamen. Was Kenner des ursprünglichen Kirk angeht, so bleibe ich jedoch skeptisch, ob diese auf Remakes alter Episoden mit jüngeren „Schauspielern“ unbedingt gewartet haben.
Positiv anzumerken sind übrigens die Einzelcover der neuen Ongoing. Hyperrealistische Bilder von Tim Bradstreet, Retro-Werbeplakate von Joe Corronay, einfach toll.
Wertung:
Comic-Neuinterpretation alter TV-Folgen im Look der filmischen Neuinterpretation
Star Trek 6 – Die neue Zeit 1
Cross Cult, Juli 2012
Text: Mike Johnson
Zeichnungen: Stephen Molnar, Joe Phillips
Übersetzung: Christian Langhagen
112 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 14,80 Euro
ISBN: 978-3-942649-34-6
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Cross Cult