Rezensionen

Spirou + Fantasio Spezial 8 – Panik im Atlantik

Einer der langlebigsten und erfolgreichsten frankobelgischen Comics ist ohne Zweifel Spirou und Fantasio, deren erste Episoden im Jahr 1938 erschienen. Neben der „offiziellen“ Serie veröffentlicht der Verlag Dupuis seit einigen Jahren Sonderbände in der Reihe Le Spirou de … Hier können, abseits des Serienkanons, „besondere“ Geschichten erzählt werden, die thematisch vom Spirou-Standard abweichen oder die individuelle Handschrift eines Autors bzw. Zeichners besonders betonen. Das Paradebeispiel für diesen Sonderweg ist sicher Émile Bravos „Porträt des Helden als junger Tor“.

Der neueste Streich dieser Reihe, die bei uns unter dem Label Spirou + Fantasio Spezial erscheint, ist „Panik im Atlantik“. Für dieses Album wurde mit Lewis Trondheim einer der wichtigsten Erneuerer des französischen Comics als Autor verpflichtet, die Zeichnungen stammen von Fabrice Parme, der mit Trondheim zusammen bereits Le Roi Catastrophe (bisher nicht auf Deutsch) gemacht hat. Anders als bei Émile Bravo oder bei Yann und Schwartz („Operation Fledermaus“) spielen in dieser Story politische und zeitgeschichtliche Hintergründe keine Rolle – stattdessen schickt Trondheim den Jungen mit der Pagenuniform in ein nostalgisches 50er-Jahre-Setting.

Spirou wird aus dem Hotel Moustic, in dem er als Page arbeitet, auf ein Kreuzfahrtschiff beordert, auf dem sich neben Millionären und Showstars auch der Graf von Rummelsdorf befindet, der mit der neuen Erfindung eines Kollegen für jede Menge Chaos sorgt: ein Kraftfeld, das die Personen oder Gerätschaften, die sich darin befinden, vor äußeren Einflüssen schützt. Keine allzu originelle Idee (Sue Storm lässt grüßen), aber passend zum Fifties-Zeitgeist der Geschichte. Leider gelingt es Lewis Trondheim nicht, einen großen Spannungsbogen über seine 62-seitige Story zu spannen. „Panik im Atlantik“ funktioniert eher wie eine Nummernrevue, eine Aneinanderreihung von Gags mit viel Slapstick und wenig Dramatik. Inhaltlich gibt es nichts, was nicht auch in der regulären Spirou-Serie stattfinden könnte; und genau das war wohl auch Trondheims Ziel: Wie man aus dem gelungenen redaktionellen Anhang erfährt, wollte er seinen Beitrag klar im von André Franquin geprägten Spirou-Kosmos verorten.

Während die Story zwar recht unterhaltsam, aber nur wenig originell ist, muss Zeichner Fabrice Parme für das Besondere sorgen, das den Comic vom Spirou-Standard abhebt. Und das gelingt auch vortrefflich: Keine Spur von einer „École Marcinelle“, sondern cartoon-artige Zeichnungen, die stark an Zeichentrickfilme erinnern und sehr von Ästhetik und Design der 50er Jahre geprägt sind, die dabei aber niemals altbacken oder rückwärtsgewandt wirken. Parme verleiht „Panik im Atlantik“ ein nostalgisches Flair, behält dabei aber seine eigene Handschrift bei.

Diese Spirou Spezial-Ausgabe ist nicht das Highlight der Reihe, aber ein hübsches, turbulentes Abenteuer voller Retro-Flair. Wer das Album als Fan von Lewis Trondheim kauft, weil er dessen skurillen Humor und schräge Ideen schätzt, könnte jedoch enttäuscht sein. Einen Trondheim-Stempel drückt er Spirou in diesem Comic nicht auf. Das allerdings hat er bereits vor einigen Jahren getan, in seiner selbstgezeichneten Herr Hase-Serie: Das Album „Der atomare Teilchenbeschleuniger“, eine bewusste Spirou-Hommage, war deutlich versponnener, „trondheimiger“ und letztlich auch lustiger als „Panik im Atlantik“.

 

Wertung: 6 von 10 Punkten

Viel Slapstick, tolles grafisches Retro-Flair, aber im Rahmen der Spezial-Reihe eher enttäuschend.

 

Spirou + Fantasio Spezial 8 – Panik im Atlantik
Carlsen Comics, November 2010
Text: Lewis Trondheim
Zeichnungen: Fabrice Parme
72 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 10 Euro
ISBN: 978-3-551-77699-0 

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Abbildungen © Dupuis / Carlsen (Comicseite aus der frz. Originalausgabe)