Im Juli beginnen bei Panini fünf neue Marvel-Heftserien mit Comics, die in den USA unter dem Motto „Marvel NOW!“ mit neuen Kreativteams neu gestartet wurden. Das Ziel: attraktive Einstiegspunkte für neue oder zurückkehrende Leser zu bieten und ein wenig frischen Wind ins Marvel-Universum zu bringen. Ob das gelungen ist, wollen wir uns in kurzen Rezensionen zu den fünf neuen Reihen ansehen. Heute: der, laut Heftumschlag, „neue, bessere Spider-Man“.
Worum geht’s?
Im letzten Heft der Vorgängerserie gab es einen Körpertausch zwischen Spider-Man und dem Schurken Otto Octavius alias Dr. Octopus, der im Sterben lag. Octavius‘ Geist war nun in Peter Parkers Körper und umgekehrt. Mit dem körperlichen Tod von Doc Ock starb also eigentlich Peter Parker, und der Bösewicht lebt im Körper des Helden weiter.
Hier setzt die neue Serie an – Octavius akzeptiert seine neue Rolle recht schnell und beschließt: Wenn er jetzt schon Spider-Man sein soll, dann will er ein noch besserer, effektiverer und erfolgreicherer Spider-Man sein als der alte. Wir haben es jetzt also mit einem Peter Parker bzw. Spider-Man zu tun, der eigentlich jemand anders ist – ist das nun ein Held, der ein bisschen was von einem Schurken hat oder umgekehrt? Jedenfalls, das wird schnell klar, ist Spidey irgendwie nicht mehr der Alte.
Wer schreibt?
Während bei den meisten Marvel-NOW!-Neustarts ein großes Stühlerücken bei den Autoren stattgefunden hat, blieb bei Spider-Man alles beim Alten: Dan Slott ist schon seit „Brand New Day“, dem letzten größeren Einschnitt in der Seriengeschichte von Spider-Man, mit an Bord – zunächst als Teil eines rotierenden Autorenteams, seit Ende 2010 dann als fester Hauptautor von Amazing Spider-Man. Er hat also selbst zu dem neuen Status Quo, der sich hier entfaltet, hingeführt (und musste dafür massive Anfeindungen seitens der Fans, bis hin zu Morddrohungen, hinnehmen).
Wer zeichnet?
Da Superior Spider-Man in den USA zweimal pro Monat erscheint, werden sich verschiedene Zeichner regelmäßig abwechseln. Spidey-Leser sind das gewohnt, hier gab es schon lange keine Phase mehr, in der die Hefte durchgehend vom gleichen Zeichner stammen. Die ersten Ausgaben kommen von Ryan Stegman (Scarlet Spider), dessen Strich sich irgendwo zwischen Humberto Ramos und Chris Bachalo einordnen lässt: immer ein wenig unruhig, manchmal auch unübersichtlich, dabei aber sehr dynamisch und modern. Weil sowohl Ramos als auch Bachalo zuletzt mehrere Story-Arcs für Amazing Spider-Man beigesteuert haben, passt das eigentlich sehr gut. Stegman wird sich künftig vor allem mit Guiseppe Camuncoli abwechseln, ebenfalls ein alter Bekannter für Spider-Man-Leser.
Was taugt’s?
Glücklicherweise enthält die deutsche Ausgabe gleich zwei US-Hefte, was der Story sehr gut tut. Denn US-Heft #1 besteht fast ausschließlich aus reichlich Action, in der die neu formierten Sinistren Sechs als Gegner eingeführt werden. Erst im zweiten Teil nimmt sich Dan Slott dann Zeit, den Charakter des neuen Spider-Man zu beleuchten: Wie kommt Octavius mit seiner neuen körperlichen Hülle zurecht, wie schlägt er sich als wandkrabbelnder Superheld und wie sieht’s mit den Frauen aus? Und was zum Teufel ist mit diesem letzten kleinen Rest von Peter Parker, der immer noch in diesem Körper zu wohnen scheint? Damit liefert die Slott dann auch wieder das, was Spider-Man immer ausgemacht hat: eine Mischung aus Superheldenaction, Seifenoper und Komödie.
Das Problem an dem neuen Status Quo ist, dass die Titelfigur, die bislang einer der sympathischsten Superhelden der Welt war, plötzlich jemand ist, dem man als Leser eher keine Sympathie entgegenbringt. Das kann durchaus spannend sein, aber will man Monat für Monat die Abenteuer eines Comichelden lesen, den man nicht mag? Doch grundsätzlich lassen sich aus diesem Konzept durchaus einige Funken schlagen: Der Held ist nun eine schizophrene, innerlich zerissene Figur – äußerlich derselbe, innerlich ganz anders. Die immerwährenden Selbstzweifel, die ein Peter Parker stets mit sich herumtrug, sind Dr. Octavius fremd.
Einer über Jahrzehnte laufenden Endlosserie kann solch frischer Wind durchaus gut tun, und Dan Slott ist zuzutrauen, dass er aus dem neuen Status ein paar hübsche Erzählideen gewinnen kann, ohne die Figur dauerhaft zu beschädigen. Denn eins ist klar: dass Peter Parker eines Tages in seinen angestammten Körper zurückkehren und wieder „ganz der Alte“ sein wird, ist sicher. Wir sind hier schließlich in einem Superheldenuniversum, in dem bisher noch so gut wie jeder tote Superheld wieder auferstanden ist.
Der Auftakt wirkt indes noch ein wenig unausgegoren. In der zweiten Hälfte wird der neue Spider-Man von jemandem begleitet, der das Geschehen ständig genau verfolgt und kommentiert. Das sorgt zwar für den ein oder anderen netten Gag, dürfte aber langfristig eher störend und nervig werden. Mal sehen, ob und wie sich Dan Slott aus diesem Problem herausschreiben kann.
Einsteiger-Faktor:
Naja. Die Geschichte beginnt zwar mit einem klaren Schnitt und ist auch für Neuleser problemlos verständlich. Trotzdem wird hier ganz klar das fortgeführt, was Dan Slott in den Jahren zuvor aufgebaut und erzählt hat, und es gibt reichlich Verweise in die Vergangenheit. Das ist schön für alle, die Wert auf Continuity legen, aber eher verwirrend für Leser, für die dieses Heft ihr erster Spider-Man-Comic ist.
Bester Moment:
Sehr hübsch ist die Seite, auf der Peter Parker mehrere Date-Anläufe mit Mary Jane Watson unternimmt und dabei nicht sonderlich erfolgreich ist. Schließlich steckt in seinem Kopf der hoffnungslos altmodische Octavius, der nicht so recht weiß, wie die jungen Leute von heute so ticken.
Wertung:
Der Auftakt des umgekrempelten Spider-Man kann noch nicht voll überzeugen, deutet aber sein Potenzial an
Spider-Man 1
Panini Comics, Juli 2013
Text: Dan Slott
Zeichnungen: Ryan Stegman
Übersetzung: Michael Strittmatter
52 Seiten, farbig, Heft
Preis: 4,99 Euro
Leseprobe (PDF)
Abbildungen © Marvel, der dt. Ausgabe: Panini Comics