Wo genau in Entenhausen befindet sich eigentlich Dagobert Ducks berühmter Geldspeicher? Wo steht das Geburtshaus des Stadtgründers Emil Erpel? Und welche Attraktionen darf man als Tourist sonst nicht verpassen? Für diese und viele weitere Fragen bedurfte es 13 Jahre akribische Forschung. Das Ergebnis ist der jetzt veröffentlichte Reiseführer Entenhausen.
Basierend auf den Comicgeschichten von Carl Barks ist dieses Kompendium schließlich entstanden. Jürgen Wollina hat jede Landschaft, jeden Hintergrund, jeden Hinweis einer Verortung in den rund 700 Barks-Erzählungen mühsam ausgewertet und anschließend versucht, die Stadt Entenhausen geografisch möglichst genau zu erfassen.
Der Reiseführer selbst ist tatsächlich genau im Stile eines solchen gehalten. Das mag sich seltsam anhören und war für mich beim ersten Aufschlagen eine echte Überraschung. Bereits auf Seite 1 wird man überschwenglich direkt angesprochen und zu einem Besuch Entenhausens animiert. In einem leidenschaftlichen Plädoyer wird da mit „monströsesten Monumenten“, „musealsten Museen“ oder „seidenweichsten Sandstränden“ geworben, sich immer wieder selbst überbietende Alliterationen, so als ob Barks-Übersetzerin Dr. Erika Fuchs höchstpersönlich diese frühen Zeilen verfasst hätte.
Jürgen Wollinas Zusammenstellung gliedert sich in mehre Themenbereiche, zum Beispiel Kunst, Sport, Zoologie. So sind die diversen Lokalitäten sind übersichtlich zusammengefasst und erläutert. Und das dürfte für Wollina alles andere als einfach gewesen sein. Denn natürlich hat Barks damals keinen großen Wert darauf gelegt, dass beispielsweise Dagoberts Geldspeicher immer am gleichen Platz steht. Kurzum hat Wollina also einen Hauptspeicher herausgestellt, während es für ihn in Entenhausen mehrere zweckdienliche Nebenspeicher gibt. So lässt sich dann vieles nachträglich mehr oder weniger plausibel erklären, auch warum es Donalds Haus zigfach gibt (er ist eben ganz häufig umgezogen).
Alle möglichen Sehenswürdigkeiten, Einrichtungen, Freizeitmöglichkeiten der Stadt sind so authentisch wie machbar beschrieben. Ganz wie bei einem realen Reiseführer sind hier in einer senkrechten Außenleiste zu den jeweiligen Absätzen entsprechende Stichwörter zu finden, um die schnelle Suche zu erleichtern. Eine nette Idee, die aber letztlich nur als optische Spielerei dient. Als eine weitaus größere Spielerei, aber auch eine extrem spaßige, ist der beiliegende Faltplan von Entenhausen zu bezeichnen. Wollina ist es tatsächlich gelungen, eine stimmige Karte zu konzpieren, auf der alles in seinem Reiseführer Besprochene zu finden ist. Und eins kann ich sagen: Die Suche nach den einzelnen Stationen garantiert einige begeisternde Minuten. Oder Stunden. Oder zumindest so viel Zeit, bis man beinahe an die Existenz Entenhausens glaubt.
Die authentische Zusammenstellung, ganz als ob es sich um reale Orte drehen würde, macht einen guten Teil dieses Bandes aus, ist aber zugleich auch ein wenig Fluch. Denn machmal wirkt Wollinas direkte Ansprache an den Leser etwas zu bemüht. Da gipfelt zum Beispiel der Artikel über das Entenhausener Münster schonmal im Ratschlag, dass die Termine der Orgelkonzerte doch bitte der Wochenendausgabe des Entenhausener Amtsblattes zu entnehmen seien. Und auch dass 100 Kreuzer einem Taler entsprechen und dass es sich bei der Panzerknacker-Bande um eine Gaunerorganisation handelt, sind Informationen, die eher überflüssig erscheinen. Aber was heißt schon überflüssig bei einem Reiseführer, an dessen Realisierung man 13 Jahre gearbeitet hat; und das für eine fiktive Stadt.
Alles in allem ist allein schon die Arbeit, die hinter der Veröffentlichung dieses Werkes steht, wohlwollend zu honorieren. Überdies ist dem Autor eine runde Sache gelungen, die als Pflichtkauf für alle Duck-Fans zu bezeichnen ist.
Reiseführer Entenhausen
Ehapa Comic Collection, August 2010
Autor: Jürgen Wollina
48 Seiten, farbig, Softcover, 19,95 Euro
ISBN: 978-3-7704-3386-5
Großartiges Sekundärwerk, liebevoll und charmant dargeboten