Ein Ausflug ins wunderbare Fantasiereich von David Petersens Mouse Guard ist immer eine Besonderheit und ein mit Spannung erwartetes Leseerlebnis. Petersen führte seine Mauswächter in den beiden ersten, regulären Bänden der Reihe durch den stürmischen Herbst und den kalten Winter des Jahres 1152. Bevor jedoch die nächste Jahreszeit für die mit Umhang und Schwert ausgerüsteten Nager anbricht, liegt mit Legenden der Wächter eine illustre Anthologie vor.
Im gleichen Format wie bisher, beinhaltet das Buch Kurzgeschichten diverser Künstler, unter anderem Ted Naifeh (Courtney Crumrin), Guy Davis (B.U.A.P.), Terry Moore (Strangers in Paradise) oder Gene Ha (Top 10). David Petersen persönlich bettet die unterschiedlichen Beiträge in einen größeren Handlungsrahmen ein, indem er das June Alley Inn, ein beliebtes Gasthaus in den Mäuse-Territorien zum Ort eines Geschichten-Wettkampfes macht. Um die Kneipenrechnung gestrichen zu bekommen, darf jeder der Gäste seine spannendste Legende erzählen. Besitzerin June kürt anschießend den Sieger. So werden die Beiträge der einzelnen Künstler durch ein bis zwei von Petersen gezeichneten Seiten zwischen den Episoden miteinander verbunden. Ein Konzept, das man fast 1:1 von Vertigos House of Mystery kennt.
Der Großteil der beteiligten Künstler orientiert sich stark an dem Stil des Schöpfers von Mouse Guard und agiert respektvoll im bestehenden Kosmos von David Petersen. Allerdings sind die Erzählungen dieser Anthologie reine Legenden und als solche können sie vom jeweiligen Erzähler auch ein gutes Stück weit übertrieben dargeboten werden. Mit dem deutlichen Hinweis, dass Legenden der Wächter ein Projekt außerhalb der fortlaufenden Kontinuität darstellt, sichert sich Petersen vor unglücklichen Eingriffen in sein Gesamtwerk ab.
Eine kluge Entscheidung einerseits, muss er somit nicht akribisch kontrollieren, ob jedes Detail in das große Ganze passt. Andererseits eine Chance für Experimente: Zeichnerin Katie Cook setzt ihre Episode „Eine Maus namens Fuchs“ in einem cartoonigen Stil um, der allein optisch Kontraste setzt, Guy Davis probiert in „Der Kritiker“ möglichst unrealistisch zu zeichnen und bringt eine stumme, humoristische Geschichte mit Pointe zu Papier und Jason Shawn Alexander adaptiert Edgar Allan Poes „Der Rabe“ auf Mäuseart.
Die Legenden der Wächter bieten eine gelungene Mischung an Kurzgeschichten und versüßen das Warten auf den nächsten „richtigen“ Band der Reihe. Richtig gelungen ist auch das umfangreiche Bonusmaterial: Covergalerie, Porträts der Figuren, Karten des June Alley Inn und der Mäuse-Territorien sowie Biografien aller beteilgten Künstler.
Wertung:
Eine Anthologie auf hohem Niveau, nicht nur für Mouse Guard-Kenner eine echte Kaufempfehlung
Mouse Guard: Legenden der Wächter 1
Cross Cult, Februar 2012
Text und Zeichnungen: diverse
144 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 24,90 Euro
ISBN: 978-3-942649-68-1
Leseprobe
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Cross Cult