Rezensionen

Jahrhundert der Comics – Die Zeitungs-Strip-Jahre

 Jahrhundert der Comcis – Cover Im ostwestfälischen Bielefeld gastiert noch bis zum 5.April 2009 die Ausstellung „Jahrhundert der Comics – Die Zeitungs-Strip-Jahre“ (s. unseren Hinweis in der Welt am Draht). Dabei zeigt das Museum Huelsmann unter Leitung von Kurator Dr. Alexander Braun frühe amerikanische Zeitungs-Strips, die so bisher in Deutschland noch nicht zu sehen waren. Die Sammlung, die fast ausschließlich aus dem Privatbesitz des Kurators selbst stammt, führt den deutschen Leser in eine Welt der Zeitungscomics ein, die eigentlich als Wegwerfkultur gedacht war. Ein gern gesehener Begleiter jeder Museumsausstellung – hat man selbige nun besucht oder auch nicht – ist immer der entsprechende Katalog zur Ausstellung. Auf den bebilderten Seiten des stattlichen Folianten findet der Leser neben Reproduktionen der Exponate einen unerlässlichen Fundus an Informationen über die frühen Strips und deren geschichtlichen Kontext. Im Fall dieses begleitenden Katalogs geht jedoch das gedruckte Wort in all seiner Fülle über die Kraft der ausgestellten Bilder hinaus.

Zunächst erfüllt der Katalog gehorsam seine Aufgaben: Auf 240 Seiten werden den Besuchern der Ausstellung, aber auch allen, die es nicht nach Bielefeld geschafft haben, noch einmal alle Exponate in bestechender Qualität vorgeführt. Dazu gehören Originalzeichnungen von Walt Kellys Pogo, aber auch sehr selten gezeigte Strips von Charles Forbells Naughty Pete. Ebenso wie in den Ausstellungsräumen des Museums Huelsmann führt Alexander Braun auch im Katalog chronologisch durch die Zeitgeschichte der amerikanischen Zeitungs-Strips. Von Pionierjahren des Strips über die Familien- und Abenteuer-Strips begleitet der Leser sowohl die Geschichte des Mediums als auch die der Vereinigten Staaten von Amerika.

 Walt Kelly – PogoSo dient der Katalog „Jahrhundert der Comics – Die Zeitungs-Strip-Jahre“ nicht nur als bloße Sammlung von Ausstellungstücken, sondern als Handbuch zur amerikanischen Historie. Braun erläutert dabei, warum der Zeitungs-Strip gerade im New York der Einwanderungszeit, im amerikanischen Schmelztiegel, solche Popularität erfahren hat und auch wie der erbitterte Kampf der Zeitungsmogule Pulitzer und Hearst die Produktion von Comics immer wieder aufs Neue angetrieben hat. Der Strip dient dabei dem Zeitstrahl nicht nur als treuer Begleiter, sondern wie im Fall von Walt Kellys Pogo als kritischer Beobachter der Geschehnisse. Zusätzlich zu den Bildbeispielen fügt der Autor genauste Erläuterungen selbiger hinzu, wie z.B. der Tatsache, dass das anthropomorphe Schwein in Pogo den russischen Ministerpräsidenten Nikita Chruschtschow verkörpern soll.

Während Terry and the Pirates von Milton Caniff und Blondie von George McManus so zu einem festen Bestandteil der amerikanischen Populärkultur geworden sind, untersucht Braun  jeden der dargestellten Künstler in einem gesonderten Kapitel äußerst fachmännisch: So finden sich neben den Kin-Der-Kids-Strips auch Lyonel Feiningers berühmtere Werke wie Die Kirche von Mellingen.  Lyonel Feininger – Kirche von MellingenErst durch die Gegenüberstellung von Kunst und Comic schafft Braun ein Verständnis für die Parallelen, welche die Künstler in ihren Strips nutzen, aber auch erst erzeugen. So datiert George Herrimans Krazy Kat das skurrile Theater eines Samuel Beckett vor, Alex Raymonds Agent X-9 stellt das verlorene Bindeglied zwischen den pulp magazines von Dashiell Hammet und den berühmten Film Noir-Klassikern dar. Der Zeitungs-Strip wird unter der Feder von Braun zu einer lebendigen Kunstform, die sich gerade aufgrund ihrer Ausnahmestellung bei jeder anderen Kunstform bedient, diese aber gleichzeitig durch neue Innovationen selbst bereichert.

Spricht man also über das Buch „Jahrhundert der Comics – Die Zeitungs-Strip-Jahre“ ist der Begriff „Katalog“ sicherlich die falsche Bezeichnung; vielmehr hat sich Dr. Alexander Braun damit in die Comicforschung eingeschrieben und bietet seinen Lesern ein unschätzbares Handbuch für den Umgang mit amerikanischen Comic-Strips. Für jeden Freund der bunt bedruckten Zeitungsstrips lohnt sich diese Investition jedoch.

Mehr zur Ausstellung findet Ihr hier im Bericht bei tagesspiegel.de.

Jahrhundert der Comics – Die Zeitungs-Strip-Jahre
Huelsmann Stiftung
Text: Dr. Alexander Braun

Hardcover, farbig, 243 Seiten; 30,- Euro
ISBN: 978-3-9812373-0-6

Universelles Handbuch über Comic-Strips

Bezugsmöglichkeiten:
Bestellt werden kann der Band direkt beim Museum Huelsmann, beim Comicladen Grober Unfug  oder  bei  der Galerie Laqua (Weitere Hinweise gerne über unser Kontaktformular).

Zur Ausstellung:
Die Ausstellung in Bielefeld endet am Sonntag den 5. April. Anschließend wird sie vom 24. April bis zum 12. Juni im RWE Tower in Dortmund zu sehen sein (Mo-Fr von 9.00 bis 18.00 Uhr, Eintritt frei, an Wochenenden geschlossen). Die vorerst letzte Möglichkeit einen Blick auf die amerikanischen Zeitungs-Strips zu werfen, bietet sich vom 5. September bis zum 20. Dezember in der Galerie der Stadt Remscheid.