Der Fluss Lethe fließt in der Unterwelt der griechischen Mythologie, sein Wasser schenkt den Verstorbenen gnädiges Vergessen und macht die Toten untereinander gleich und anspruchslos. So fristet man sein weiteres ewiges Dasein in ewiger wunschloser Lethargie, was nicht weiter schlimm ist. Wenn nur die Toten von außen betrachtet nicht so dement wirken würden …
Aber wer verabreicht eigentlich dieses Lethe-Wasser? Katharina Greve gibt uns in Hotel Hades die Antwort. In Ihrem satirisch angehauchten Comicroman repräsentiert die griechische Unterwelt das globalisierte Jenseits, wo der Gott Hades die Abwicklung der Menschheit für sämtliche Religionen optimiert und vereinheitlicht hat: Die meisten Menschen werden in den tristen, grauen, unübersichtlichen und stetig dichter besiedelten Asphodelos-Gründen untergebracht und trinken brav ihr Lethe-Wasser, darüber hinaus gibt es aber noch das Elysium und den Tartaros. Das Elysium ist für die VIPs, die „verdienten“ und „wichtigen“ Persönlichkeiten der Weltgeschichte, der Tartaros ist für die bösen Sünder. Hier wie dort regeln ausgewählte Beamte und Angestellte die straff organisierten Abläufe, sei es, die Bewohner des Elysiums bis in alle Ewigkeit zu bespaßen oder die armen Seelen der Hölle effektiv zu quälen.
Dass es dabei nicht immer ganz gerecht zugeht, erfahren wir, als die Unterwelt drei Neuzugänge bekommt: Eine abgeklärte Schriftstellerin, ihr junges männliches Anhängsel und der Koch einer Frittenbude, der sich zu Höherem berufen fühlt, sind aufgrund einer Verwechslung soeben erschossen worden. Zusammen mit diesen dreien lernen wir die verschiedenen Ebenen des Hades kennen. Wir erfahren, dass man ins Elysium wohl nur mit Connections kommt und dass dessen Bewohner oft alles andere als „Gut“ sind (wozu auch?). Im Tartaros hingegen befinden sich vor allem diejenigen Schurken der Weltgeschichte, die zu blöd waren, sich rechtzeitig ein VIP-Ticket zu ergaunern.
Hotel Hades ist wirklich die meiste Zeit recht vergnüglich zu lesen, auch wenn das humoristische Potenzial der lethargischen, Lethe-trinkenden Verstorbenen und der völlig zweckfreien Bürokratie des Hades schnell ausgeschöpft ist. Viele Szenen erinnern an Comedyshows aus dem Fernsehen und die Gags sind leider oft eher platt als inspiriert. In der Regel funktioniert Katharina Greves Humor, indem er die Erwartungen an eine offensichtliche Pointe unterläuft – ein Stilmittel, das sie leider vor allem im Mittelteil etwas überstrapaziert. Doch gerade weil die Handlung über weite Strecken hinweg wie eine Abfolge von kleinen Sketchen wirkt, ist man am Ende überrascht, dass die Geschichte doch einen recht schlüssig durchkomponierten und stimmigen Plot hat.
Die streng konstruierten Zeichnungen wirken kalt und steril, aber nur in diesem Stil kann Greves Humor wirken. Immer wieder finden sich, der nüchternen Inszenierung zum Trotz, gelungene Bildkompositionen, vor allem wenn es darum geht, uns zu zeigen, wie gleichförmig und eintönig das Jenseits ist. Von daher gesehen ist es kein Wunder, dass Hotel Hades meist mit farbig gehaltenen Szenen beworben wird, die den freundlich dreinblickenden Höllenhund des Titelbildes zeigen. Schauwerte dieser Art bietet der Comic leider insgesamt zu wenige. Über den Großteil der Erzählung hinweg dominieren flächige Grautöne, abgemischt vermutlich mit Lethe-Wasser.
Wertung:
Launige deutsche Comedy im Gewand einer Graphic Novel. Passable Lektüre für zwischendurch.
Hotel Hades
Egmont Graphic Novel, September 2014
Text und Zeichnungen: Katharina Greve
128 Seiten, teilw. farbig, Hardcover
Preis: 19,99 Euro
ISBN: 978-3770455072
Leseprobe
Abbildungen © Katharina Greve / Egmont
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