Rezensionen

Hino Horror 1 und 2

 Horror im Comic ist in den letzten Jahren wieder zunehmend populär geworden. Keine Frage, Comics mit Zombies, Monstern oder Geistern können Spaß machen — aber verursachen sie wirklichen Horror? Vermitteln sie Grauen, Unbehagen, machen Sie Gänsehaut? Eher selten.

Einer, der tatsächlich Horrorcomics zu Papier bringt, die den Leser verstören und ihm auf den Magen schlagen, ist der japanische Mangaka Hideshi Hino. Shodoku, das Manga-Label des Verlags Schreiber & Leser, widmet ihm eine eigene Reihe namens Hino Horror, in der bisher zwei abgeschlossene Bände veröffentlicht wurden.

In Red Snake geht es um einen kleinen Jungen, der mit seiner Familie in einem sehr abgelegenen Häuschen lebt, aus dem er praktisch nie hinauskommt. Er scheint der einzig normale Bewohner zu sein, alle anderen Familienmitglieder haben einen gewaltigen Sprung in der Schüssel. Opa hat ein riesiges Eitergeschwür, das er sich mit rohen Eiern massieren lässt, die Schwester lässt allerlei Würmer ihren Körper erforschen. Die Krönung aber ist die Oma, die sich für ein Huhn hält und eifrig Eier ausbrütet. Im Haus gibt es einen geheimnisvollen Spiegel, der angeblich verwunschen ist und hinter dem sich großes Unheil verbirgt. Als dieser Spiegel eines Tages bricht, beginnt für den Jungen ein furchtbarer Alptraum voll mit monsterhaften roten Schlangen und mit blutigem Gemetzel. Wären Hideshi Hinos Bilder nicht schwarzweiß und in einem weniger cartoonhaften Stil gezeichnet, dann wäre Red Snake wohl einer der am schwersten erträglichen Comics überhaupt.

 Im zweiten Band, Bug Boy, wird der Ekelfaktor etwas heruntergefahren, das Werk ist jedoch nicht weniger verstörend als Red Snake: Auch hier ist ein kleiner Junge die Hauptfigur, und auch hier geht es um Kriechtiere. Sanpei ist der klassische Außenseiter, der keine Freunde und schlechte Noten hat. Seine einzige Freude sind die Tiere, die er in seinem Geheimversteck hält: Katzen, Vögel, vor allem aber jede Menge Raupen und Würmer. Als Sanpei auch von seinen Eltern mehr und mehr Ablehnung erfährt und vom Stachel einer Raupe gestochen wird, beginnt eine bizarre Metamorphose: Nach und nach mutiert Sanpeis Körper zu einer mumienhaften Puppe, aus der später eine überdimensionale Raupe entschlüpft. So beginnt Sanpeis neues Leben als Monsterraupe, die wahllos Menschen tötet und Rache an seiner Familie sucht.

Beide Mangas enden zwar halbwegs versöhnlich, doch Happy Ends gibt es in Hidesho Hinos Welten nicht. Das Gute, dass das Böse bekämpft und besiegt, existiert nicht. Bestenfalls arrangiert sich das Gute mit den Verhältnissen, wie sie eben sind.

Hinos Werke sind die Manga-Entprechung zu den Filmen von David Lynch oder David Cronenberg. Auch klassische Gruselmotive, etwa von Edgar Allan Poe, kann man wiederfinden. Und in Bug Boy natürlich den vielleicht allzu offensichtlichen Link zu Kafkas Verwandlung. Ohnehin ist Bug Boy als Parabel über Ausgrenzung und Entfremdung etwas zu überdeutlich geraten, liest sich dafür aber auch leichter als Red Snake. Letzteres ist deutlich verrätselter und verstörender, nicht zuletzt auch wegen seiner sexuellen Komponente.

Hino Horror ist sicher nichts für Leser mit schwachen Nerven und empfindlichem Magen. Wer aber ungewöhnliche Horrorcomics sucht und auch bereit ist, sich mal zu ekeln, kommt hier voll auf seine Kosten. Diese Reihe dürfte mit zum Heftigsten gehören, was in diesem Bereich erschienen ist. Gut zwanzig Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung in Japan sind diese fiesen Perlen des Makabren nun auch auf Deutsch verfügbar.

Ein Lob geht außerdem an Schreiber & Leser für die stimmige Aufmachung der Taschenbücher, die im Vergleich zu den Augenkrebs verursachenden Covern der US-Ausgaben eine echte Verbesserung darstellt.

Hino Horror 1: Red Snake
Shodoku bei Schreiber & Leser, Juni 2007
Text und Zeichnungen: Hideshi Hino
192 Seiten, s/w, Taschenbuch; 10,- EUR
ISBN 978-3-937102-67-2

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Hino Horror 2: Bug Boy
Shodoku bei Schreiber & Leser, Juni 2007
Text und Zeichnungen: Hideshi Hino
208 Seiten, s/w, Taschenbuch; 10,- EUR
ISBN 978-3-937102-68-9

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Hino Horror bei Schreiber & Leser

Bildquelle: schreiberundleser.de