Gung Ho heißt die neue Comicserie von Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant, dem Kreativteam hinter der viel gelobten Adaption der Hohlbein-Romane Die Chronik der Unsterblichen. Der Titel ist ein nicht genau definierter Begriff, der in diesem Kontext als „hitzköpfig, übermütig“ zu verstehen ist. Damit ist auch bereits die Prämisse dieser Serie grob umrissen.
Gung Ho spielt in einem Europa, das in nicht allzu ferner Zukunft von der sogenannten Weißen Plage heimgesucht wird. Im Zuge dessen wurde der Kontinent für den Menschen in weiten Teilen unbewohnbar und er zog sich in die Städte zurück. Nach der großen Apokalypse, als die Bedrohung sich scheinbar auf dem Rückzug befand, begann die vorsichtige Neubesiedlung der Gefahrenzone. Auf dem Land wurden abgeschottete Gemeinden gebaut, in denen eine überschaubare Zahl an Bewohnern lebt und für den Kampf trainiert.
Eine dieser Siedlungen ist Fort Apache, in dem die Handlung dieses Serienauftakts verortet ist. Mit dem Zug kommen die Brüder Zack und Archer Goodwoody an, Waisenkinder, die aus der Stadt ins Camp verbannt wurden. Die Geschwister sind nicht die einzigen Jugendlichen der Siedlung und schnell wird klar, dass diese im vorliegenden Comic eine zentrale Rolle spielen.
Gung Ho ist eine Coming-of-Age-Story vor einer Endzeitkulisse, ein Teenager-Survival-Drama. Band 1 fungiert dabei noch bevorzugt als Einführung der Figuren, der Umgebung und des Hintergrundes. Zusammen mit Zack und Archer lernt der Leser nach und nach die wichtigsten Personen kennen und welche Rolle sie im Camp spielen. Man erkundet Fort Apache, erfährt wo was passiert und welche Gebäude existieren. Und man findet heraus, was es mit der Weißen Plage auf sich hat.
Von Eckartsberg ist diese Einführung hervorragend gelungen. Die ersten Seiten zeigen trostlose Überreste der Zivilisation, eine in Dunkelheit gehüllte, leere Siedlung. Im Anschluss einen Wachturm, auf dem zwei Personen die befestigte Anlage überblicken. Direkt danach ändert sich die Stilistik völlig: Die Sonne strahlt, das Siedlungsleben blüht, ein Junge mit Gitarre und Wollmütze schmettert ein Lied.
An diesem atmosphärischen Wechsel wird schnell deutlich, dass Gung Ho sich nicht auf die Spielarten eines typischen Survivalhorrors verlässt, sondern versucht, sein eigenes Genre zu kreieren. Dafür spricht auch die bis ins Kleinste ausgearbeitete Darstellung der Siedlung, die im Grunde genommen mehr im Mittelpunkt steht als die agierenden Personen. Ob es der Gedächtnisbaum ist, an dem Zeichnungen der toten Bewohner angebracht werden, oder die schicken Balkons, die auf allen Häusern gebaut wurden, um bei Angriffen Schutz zu suchen. Das Fort wird dem Leser sofort sympathisch, auch wenn trotz aller Heimeligkeit stets die reale Bedrohung mitschwingt.
Die Weiße Plage erstmal gar nicht zu thematisieren, um sie dann zum Ende des ersten Albums mit einem großen Knall zu präsentieren, ist natürlich ein kluger Schachzug. Damit durchbricht von Eckartsberg die Szenerie und erinnert daran, dass es in dieser Serie neben aller menschlicher Befindlichkeiten eben doch bevorzugt ums pure Überleben geht.
Die Bilder von Thomas von Kummant fallen natürlich sofort ins Auge. Er zeichnet ohne Outlines, so dass die Kolorierung nicht durch Konturen unterbrochen ist. Diese ungewöhnliche Arbeitsweise wird durch den breiten Einsatz von Lichtreflexen noch unterstützt. Dieser Stil führt allerdings auch dazu, dass das Endergebnis insgesamt etwas „künstlich“ aussieht, d.h. dass Texturen wie Schichten übereinanderliegen, Effekte digital bearbeitet wirken oder auch Grashalme wie rechteckige Kanthölzer erscheinen, die man extra in den Boden gesteckt hat. Alles in allem ein Endprodukt, bei dem man sich nicht des Eindrucks erwehren kann, man hätte das Design eines Videospiels vor sich.
Dennoch ist es gerade diese opulente Grafik, die einen (auch wegen der großformatigen Seiten) in den Bann zieht. Die lichtdurchfluteten Räume, die vielen Details der Siedlung, die stark dargestellten Figuren, die wunderbare Farbgebung. Alles in allem bietet der erste Band von Gung Ho ein überzeugendes Setting, ein Endzeitszenario von dem man gerne mehr lesen möchte. Die Serie ist auf fünf Bände angelegt, die im Abstand von anderthalb Jahren erscheinen sollen. Bis dahin könnte ich mir vorstellen, dass so mancher ernsthaft über eine Adaption als TV-Serie oder Film nachdenkt. Story und Design scheinen jedenfalls dafür prädestiniert zu sein, wovon man sich auch in diesem Video überzeugen kann.
Band 1 erschien zeitgleich auch als Vorzugsausgabe, die neben einem Variantcover auch eine beigelegte Karte und zusätzlich 40 Seiten mit Bonusmaterial aufweist. Dass diese mehr als Skizzenmaterial enthalten, beweist ein näherer Blick: Es gibt Erläuterungen zur Weißen Plage, genauso wie Designentwürfe (z.B. auch einen Blick in einen Wohnwagen aus der Vogelperspektive!), verworfene Szenen, einen Einblick in den Kreativprozess und sogar einen Songtext. Leider ist die herausnehmbare Faltkarte etwas karg ausgestaltet und ohnehin im Bonusteil nochmal ganzseitig abgedruckt. Ansonsten sind die Extras durchaus lohnenswert und mehr als reine Gimmicks.
Wertung:
Furioser Serienstart mit viel Potenzial
Gung Ho 1 – Schwarze Schafe
Cross Cult, Juni 2014
Text: Benjamin von Eckartsberg
Zeichnungen: Thomas von Kummant
80 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 22 Euro
ISBN: 978-3-86425-385-0
Leseprobe
Gung Ho 1 – Schwarze Schafe (Vorzugsausgabe)
128 Seiten, farbig, Hardcover
Preis. 35 Euro
ISBN: 978-3-86425-406-2
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Cross Cult